Emmerich ARLETH jun.

Emmerich ARLETH jun.

Moderator, Musiker (Klavier), Sänger
geboren am 26.05.1924 in Wien
gestorben am 22.05.2006 in Wien
beerdigt auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 40, Nummer 19)

– 1974 das Goldene Ehrenzeichen der Stadt Wien
– 1994 das Goldene Wienerherz von der Robert-Posch-Vereinigung
– die Robert-Stolz-Medaille von der Robert-Posch-Vereinigung
– den Goldenen Wiener

Da ich annehme, dass weder ein Almanach, Album, noch ein Buch, wie immer es heißen möge, über die Komponisten, Textautoren, Interpreten unserer österreichisch – wienerischen Unterhaltungsbranche, von mir geschrieben, jemals in Druck kommen wird, will ich versuchen meinen Kindern, meinen Enkeln, ein weniges von dem zu schreiben, was ich als “glückhaftes Leben” bezeichnen möchte.

Es kommt nicht so sehr darauf an, in ein wohlhabendes, jedoch in ein “wohlbestelltes” Haus geboren zu werden.

Heute werden sie „Substandard” – Wohnungen genannt, die Zimmer, Kabinett, Küche Wohnung, Klo und Bassena am Gang. In so einer wurde ich geboren. Hausgeburt mit Hebamme war üblich. Es war aber auch beim Sterbefall im Hause, die damit verbundene Aufbahrung, mit “Pompfinebrer” (wienerischer Ausdruck, verballhornt vom französischem ‘pompe funebres’ ), im schwarzen Anzug, mit Dreispitz auf dem Kopf, den Zeremonienstab in der Hand, im Hausflur gang und gäbe.

Bei meiner Geburt ging es vom Wohnhaus zur Taufe in die Kirche. Im Todesfall ebenfalls ins Gotteshaus, im von Pferden gezogenen schwarzen Wagen.

Meine Taufe fand in der Meidlinger Kirche zum Hl. Johann Nepomuk statt. Mein Taufpriester war von der Kalvarienbergkirche gekommen. Coop. Franz Schmitzer, ein Jugendfreund meines Vaters, der in Hernals aufgewachsen war und dort nach wie vor, viele Freunde aus seiner Jugendzeit, kannte. Sie waren verbunden, bis nach 1945. Manche bis nach seinem Tod 1965.

Es war ein “wohlbestelltes Haus” und Heim, wir wären arm, aber durch die Sparsamkeit, durch das “Einteilen”, welches meine Mutter beherrschte und die, um bei ihrem Buben sein zu können, Heimarbeiten jeglicher Art annahm, war es ein “zu Haus” wie ich es manchen – heute – wünschen könnte.

Es gab halt nur Sonntags Schnitzel mit Erdäpfelsalat und als ich grösser und allein über die Straße gehen konnte, holte ich meinem Vater ein Viertel Falkensteiner, oder ein Krügel Bier “über die Gassen”, was besonders beim Krügel Spaß machte, denn – der “Farn” der Schäum, die Bierborte, mit dem Finger angebohrt, schmeckte vorzüglich.

Als ich vier Jahre alt war – 1928 – erinnere ich mich meines ersten “Hör” – Eindruckes der Kinderzeit. Vater lernte die Rolle des Küchenjungen Leon, aus Grillparzers “Weh dem, der lügt” — “Ich muss den Bischof durchaus sprechen- Herr” beginnt der erste Akt.

Dass ich rund zwanzig Jahre später, dieselbe Rolle bei meinem geschätzten, geliebten Lehrer, einem der letzen k. u. k. Hofschauspieler, Kammerschauspieler und Opernsänger Franz Höbling, lernen sollte, wer konnte das ahnen.

Mein Vater sprach den “Leon” bei Hofrat Prof. Herterich im Burgtheater vor, der ihn auch, an Stelle eines Herrn Sehi, welcher in Pension ging, engagieren wollte. Allerdings spielte Herr Sehi Vaterrollen und mit 28 Jahren Vaterrollen zu übernehmen, war für meinen “Erzeuger” – leider unbedacht – die Ablehnung, welche er – später – zutiefst bereute.

Aber das Jahr 1928 brachte ihm die ersten Erfolge, in der RAVAG, die 1924, in meinem Geburtsjahr, gegründet worden war. 1929 spielte er die Bufforolle in der Erstlingsoperette Franz Zelweckers “Miß Dora Amata” – Urauffürung in der Komödie. Max Neufeld führte Regie, seine Schwester Lisi Neufeld war die Buffopartnerin meines Vaters. Von diesen Engagements, später hießen sie “Freischaffender oder Freie Mitarbeiter”, konnte man Routine erwerben, leben konnte keiner davon, von den “Tingeleien” auch nicht, also war ein Hauptberuf nötig. Zeitweilig als Gewerkschaftssekretär, Diurnist einer Versicherungsanstalt, bis er dann die Vereine “Internationale Artistenloge” und “Artisten-Schutzverband” zur “Österreichischen Artisten – Organisation” vereinen konnte und als erster Präsident bestellt wurde.

Eine sparsam genau rechnende Hausfrau war meine Mutter, die mit dem Haushaltgeld einzuteilen wusste. Es war nicht viel, aber immer “etwas da”, so dass bei uns daheim Not eigentlich unbekannt war. Arbeitslos war mein Vater nie. Mit fixem Gehalt, der wenig, aber sicher war und seinen Einzelauftritten “ging es”.

Warum mich meine Mutter aus der zweiten Volksschulklasse, am MigazzipIatz, in die dritte zu den Schulbrüdern gab, weiß ich bis heute nicht. Es war für mich ein tränenreicher Wechsel, ich war todunglücklich, denn – irgendwie – fühlte ich es, war mir der Lehrer in der neuen Schule nicht gewogen !

Mein erster Klavieruntericht begann mit acht Jahren. 1932 erhielt ich das Pianino “Marke Baumbach”, welches noch immer bei mir bespielt und gepflegt wird.

Schulden, Kredite, sowas gab es zwar, aber nicht: bei uns! Vater benötigte für seine Auftritte stets eine gute Garderobe, er musste einfach “gut angezogen” seine Auftritte absolvieren. Unrasiert, mit schmutzigem Hemd und Kragen, keine Frisur, bloßfüßig auf die Bühne, das wäre unmöglich gewesen. Mikrophon und Verstärkeranlagen gab es nicht, Stimme und Persönlichkeit waren gefragt.

“Einspringer” war mein allererster Bühnenauftritt im Saal der Kulmgasse. Ein “Waselbua” (Waisenknabe), der in dem Stück auftreten sollte, war ausgefallen. Willkommener Ersatz, ein “vornehmer, im Matrosenanzug auftretender” — ich.

In den Stefanie Sälen auf der Hütteldorferstrasse (sie sind auch nicht mehr existent) trat ich dann bereits als Art “Conférencier” auf. Es war ein Krippenspiel meiner Schule.

Ans Realgymnasium (es war das Grillparzer-Realgymnasium in der Diefenbachgasse 19) kam ich nach der ersten Hauptschule. Wieder war es meiner Mutter Vorbehalten, darüber zu bestimmen, dass es eben besser wäre, diese Klasse Hauptschule zu machen. Sie gab viel auf Astrologie und Naturheilkunde, daher hatte ein im Sternbild der “Zwillinge” geborener, wie ich es war, “zwei Seelen in seiner Brust” er hatte daher “etwas zu lernen, eine solide Grundlage zu erwerben” die Kunst, die Musik konnte dann noch immer dazu stoßen.

Es war das Jahr 1935, als ich ans “Grillparzer” Bundesrealgymnasium in die Diefenbachgasse kam. Wir hatten in der ersten Klasse Latein – und von der dritten ab Englischunterricht. Großes Glück mit unseren Lehrern. Besonders in der schwierigen Zeit ab 1938, als Österreich zu bestehen aufgehört hatte und wir jungen Leute, in der Pubertät, von den Uniformen der Propaganda des 3. Reiches überflutet wurden, war einer derjenigen, der nicht Parteigenosse war, unser Klassenvorstand und Englisch-Professor – Johann Hüber. Ein Vorbild für uns heranwachsende Schüler.

Als der Krieg 1939 ausbrach und wir erst Mitte September mit dem Unterricht beginnen konnten, hielt Prof. Hüber eine kleine Ansprache, wobei er erstmals die Klasse mit “meine Herren und uns per Sie” titulierte. “Lernen sie Englisch, meine Herren, man weiß, nie, ob man es nicht brauchen wird, denn ich unterrichte zum zweiten Mal in meinem Leben die Sprache des angeblichen Feindes!”. So ähnlich lautete seine Rede an uns und nie vergesse ich sein Eintreten für einen unserer Klassenkameraden, der ein “Mischling” war. So bezeichnete man einen Menschen in der Zeit, dessen Vater – oder Mutterteil JUDE war, während der andere eben sogenannter Arier      …

Euer Vater, bzw. Großvater hatte die Stellung eines Klassensprechers inne, es muss so 1940/41 gewesen sein, als mich Prof. Hüber rufen ließ und mir die Mitteilung machte, dass eben der Peter relegiert werden müsse, wenn die Mehrheit der Klasse dies wünsche. Er würde jedoch mit mir, als Klassensprecher, eine Entscheidung herbeiführen können, wenn ich einverstanden wäre. Mir war die Entscheidung völlig klar, war doch dieser Freund seit der ersten Klasse bei uns integriert. Er blieb und dies bis zur Matura und auch nachher hat keiner der anderen geahnt, dass wir zusammengehalten hatten. Genauso war es mit dem “Kruzifix” in unserer Klasse. Es hing im Klassenzimmer über der Eingangtüre, bis zum bitteren Ende und niemand fand sich, zumindest bei uns, es herunter zu nehmen. Vielleicht ist es gerade in einer schwierigen Zeit zu verstehen, dass der Glaube weiter hilft …

Ganz besonders Wert wurde auf Disziplin und Pünktlichkeit gelegt. Wahrscheinlich deshalb so stark, weil mein Vater ein lebenslustiger Mensch war, der aber – bohemienhaft – sehr oft zu spät kam. Wenn das der Fall war, hatte er ein “Pönale” zu entrichten, dann wurde ich zur WÖK auf die Mariahilferstrasse geführt, es gab Torte mit Schlag. Wieso ich dazu kam, wusste ich damals nicht, aber es war gut!

Die Erinnerung lässt Sonntage in mir wach werden, an denen wir, im Frühling auf dem Satzberg, im Sommer am “Stürzelwasser” beim Naturheilverein badeten. Auto — gab’s keines, also fuhren wir mit der Stadtbahn bis zur Endstation Hütteldorf und “hatschten”, endlos für mich, den Berg hinauf – oder — wieder von Meidling, mit der Stadtbahn Richtung Schwedenplatz, stiegen in den 24er um, der bis Kaisermühlen fuhr, dann ging es wieder – per pedes – über den Damm zum “Stürzel” – abends retour. Fallweise mit der Überfuhr, mit Motorbooten der Holzers, das kostete aber pro Person 30 Groschen und war viel Geld.

Vater hatte manchmal seine Gitarre mit, dann wurde das große Zelt aufgebaut, es gehörte dem Verein und dann — kamen vom ganzen Strand die Leute und hörten — Emmerich Arleth — gratis. Seine Lieder, G’stanzeln, Imitationen, z.B. der “Bauer in der Oper” oder die Parodien auf “Schillers Glocke”, alles war begeistert und zufrieden. Besonders Spaß, machte es in den “Wurschtelprater” zu gehen, beim “Walfisch” eine Kleinigkeit zu essen, Ringelspiel fahren zu können – eine glückhafte Kinderzeit, mit all den Mädchen und Buben, darunter, der später bekannte Bobby Lugano (er hieß richtig DI. Drössler) Zauberer, Magier, er trat auch im Fernsehen auf.

Jeden ersten Samstag im Monat der Saison, fand die Artisten-Prüfung im “Ronacher” statt, In der Prüfungsjurie war jeweils ein prominenter Ehrengast eingeladen, da waren z.B. die Kammersänger Jan Kiepura, Leo Slezak, Richard Tauber, auch Hans Moser u.v.a., die sich nicht genierten, für ihre Kollegen die Stimme abzugeben. Im Anschluss daran war die Nachmittags-Vorstellung des Varietés.

Schön langsam begann mein Vater, mich heranwachsenden Jüngling, als Korrepetitor zu verwenden. Anfangs war ich nicht gerade begeistert, jedoch, als ich ihn begleiten durfte und mein dürftiges Taschengeld dafür zur Gage wurde, kam ich auf den Geschmack. Die Bühne gefiel mir, die Künstlerinnen und Künstler, die ich kennen lernte, waren die Elite der Branche.

Der März des Jahres 1938 war eine Cäsur — nicht nur für unsere Familie. Österreichs Selbständigkeit war beendet, die Österreichische Artistenorganisation ebenso und mein Vater entlassen. Er fand – dank Fritz Imhoff – Arbeit in der Revuebühne Femina. Sie war so etwas wie eine “kleine Insel” in der politisch aufgeheizten, harten Zeit, die immer fürchterlicher werden sollte. 1940 musste Vater einrücken und war so gar nicht Soldat. Sein Pyjama hatte er sogar in die Kaserne mitgenommen, aber — er unterhielt seine Kameraden und Vorgesetzten, so dass er sogar bei seiner UK (Unabkömmlichkeit) Stellung zum Fronttheater von ihnen unterstützt wurde. Im Winter 1940 fuhr er nach Polen, 1941 mit der Soldatenbühne Frey, nach Rumänien, es war dies kein “Honiglecken”, aber diese Art Tätigkeit war trotzdem für ihn besser, als Soldat sein zu müssen.

Wieder war es Fritz Imhoff, der ihn ans Raimundtheater empfahl. Fritz war zuckerkrank und brauchte einen “würdigen Zweitbesetzer” der auch singen konnte. Erstauftritt meines “Erzeugers” eine Sommeroperette “Ich bin in meine Frau verliebt” — Magda Steiner, Hans Unterkircher, Toni Niessner und Emmerich Arleth lautete 1942, die Besetzung. Als zweite Besetzung kamen für Magda Steiner, Gina Klitsch , für den Toni, Wolfgang Dauscha, für meinen Vater gabs keine zweite Garnitur, allerdings für Hans “Ucki” Unterkircher, den Bonvivant, kam der spätere Weltstar Curd Jürgens!

Viele schöne Operetten, die dort gespielt wurden, habe ich persönlich gesehen, alle lieben und kennen gelernt — allerdings, vom Juli 1942 bis Kriegsende 1945, war auch ich “eingezogen” und damals konnte man nicht mit Badehose nach Kanada von “Mutti” ausgeflogen werden, man wäre nicht weit gekommen, nicht einmal nach Hause, denn – “Fahnenflucht bedingte die Todesstrafe !! “

Bevor ich zum Reichsarbeitdienst und Militär kommandiert wurde, habe ich auf allen größeren und kleinen Bühnen meinen Vater und nicht nur ihn, am Klavier begleiten können. Diese Instrumente waren unterschiedlicher Qualität. Den meisten Horror hatte ich vor dem Flügel im “Leicht-Variete” im Prater. Papa Leicht, wie ihn alle Freunde nannten, war ein Wiener Original, ein Hühne an Gestalt, wie es Kammersänger Leo Slezak gewesen ist (er erinnerte mich an ihn). Wilhelm Leicht konferierte die namhafte Künstlerschar selbst, im herrlichsten Burgtheaterdeutsch. Stereotyp seine Ansage “meine lieben, guten Herrschaften, jetzt kommt zu ihnen, Wiens beliebtester Künstler”, dann folgte der Name, z.B. Emmerich Arleth, am Flügel “sein Bube” und weiter in einem: “vergessen sie nicht unsere hausgemachten Klobassi mit Kraut!” Das Leicht-Variete war ein Holzbau, ähnlich dem Theater – Variete “Colosseum” in der Schanzstrasse, beide bekämen heute keine feuerpolizeiliche Genehmigung zum Bespielen, aber das “Leicht – Variete” wurde Ende des Krieges, wie so vieles des alten “Wurschtelpraters”, vom Anfang der Ausstellungsstrasse, bis hinunter zur 1. Maistrasse, ein Raub der Flammen.

Hans Weigel schreibt in seinem “O du mein Österreich”, unter dem Abschnittsende “das verlorene Paradies” : “Wien wird immer Wien bleiben, aber der Wurstelprater wird nie wieder der Wurstelprater sein und gewänne er die Patina neuer Jahrhunderte. An dieser, einer entscheidenden, Stelle hat Österreich den Krieg verloren. Um den Wurstelprater ist es ärmer geworden!” Soweit das Ende 1945 und der hoffnungsvolle Neubeginn: “Glaubt an dieses Österreich!”

Nur — so schnell, wie es hier geschrieben steht, ging es keineswegs und schon gar nicht nach Hause, nach Wien!

Ein unwahrscheinliches Glück war mir beschieden. “Masel”, ein Ausdruck der verwendet, aber verboten war. Mehr als “Masel”, — wo man als Soldat hinverlegt, hinbeordert wurde, völlig unbekannt. Als Funker wurde ich, mit anderen Schicksalsgefährten, nach dreimonatiger Breitenseekaserne-Ausbildung, vom Westbahnhof, nachts, nach Schwabach bei Nürnberg verfrachtet, von dort — nach ungefähr zehn Tagen, in einem Kohlewaggon Richtung Heidelberg, bei Melun, über Paris nach Fontainebleau transferiert. Anfang Mai 1943 wars warm, die Sonne schien — Fontainebleau mit Kaffee, Gateau – Mehlspeise, sogar Schlagobers gabs …. fesche, flanierende Madeln, die uns kaum eines Blickes würdigten, “Gott in Frankreich, das war das Riesenmasel” und dann Nordfrankreich, in eine Funkkompanie, die aus 80% Österreichern — pardon Ostmärkern damals – bestand. Unser “Spieß” ein Wiener namens Novak!

Die Kompaniekapelle, in welcher ich 14 Tage später bereits am Klavier spielte, dem “Herrgott dankte”, dass es “Meinige” waren, die mich dieses Instrument hatten lernen lassen und sicher dazu beigetragen haben, mein Leben zu retten.

Mit dieser Funkkompanie kam ich von Lambres lez Aire, über Luxemburg, dem Saarland (mit überaus liebenswerten Menschen) bei Speyer über den Rhein, Bamberg, Amberg, Regensburg über die Donau, nach Traunstein in Bayern, am 1. Mai 1945 bei Unken über die Grenze, Lofer, unsere letzte Funkstelle war das Kino in Saalfelden, bei der herzlichen Familie Brindlinger.

Die Amerikaner der “Airborne Division” übernahmen uns, nach dem Waffenstillstand vom 8. Mai 1945, als “disarmed troops”, als “entwaffnete Verbände”, nicht als Kriegsgefangene und das war ein großer Unterschied. Im Lager Bischofswiesen hielten wir, mit den Amis gemeinsam Wachdienst, die Offiziere durften ihre Pistolen tragen, wir gründeten eine Lagerbühne, ich konferierte, spielte Klavier und aus dem großen Reservoir der Lagerinsassen, konnten gute Programme zusammengestellt werden. Entlassen wurde ich ungefähr Mitte Juni nach Oberösterreich. Bei Ried im Innkreis, denn nach Wien, welches die Russen besetzt hatten, war eine Entlassung nicht möglich. Dank an den Freund Badegruber, er war bis zu seiner Pension Filialleiter der Firma Julius Meinl in Schärding. Er nahm mich zu seinen Eltern mit. Ein kleiner Bauernhof, wo für Quartier, Essen gesorgt und für die damalige Zeit für mich, der ich ein bisschen bei der Ernte mithalf, eine unendliche Hilfe war. — Ein ungeübter Hilfsarbeiter!

Im Radio hörte ich, dass im Mozarteum – Salzburg, eine Nachmittagsveranstaltung stattfände, Hans Moser, Johannes Heesters, am Flügel Hans Weiner-Dillmann, Programmgestaltung : Emmerich Zillner und Frau Dr. Hess. Ich setzte “Himmel und Hölle” in Bewegung um nach Salzburg zu gelangen. Mein I-Ausweis (Identitätsausweis) lautete, ausgestellt von der BH Ried i. I. (Innkreis) eben auf “Ried i. I.” das sollte sich als weiterer Glücksfall erweisen. Also, ich wartete vor dem Künstlereingang des Mozarteums – in Salzburg, auf den Jugendfreund und Begleiter meines Vaters, den Komponisten Hans Weiner Dillmann. Seit März 1945 hatte ich von zu Hause, die letzte Karte, mit der Nachricht “Bombenschaden C” … in Meidling. Hans Weiner Dillmann, den später alle Freunde “Hossasa” nannten, empfing mich mit Freude, erklärte mir, dass die Meinigen lebten, übersiedelt wären, aber wohin ?? So kam ich ins Mozarteum, sah das Programm, erlebte im ersten Programmteil Schuberts “Unvollendete”, nach der Pause sang Heesters, Moser brachte seinen “Dienstmann” und “Emschi” Zillner, sowie seine spätere Ehefrau Dr. Hess meinten, ich möge doch bei ihnen im Rundfunk – Salzburg arbeiten bleiben.

Nach Hause wollte ich, es gelang mir insofern, als die Russen, von den Amis das Mühlviertel besetzten, der ober der Donau befindliche Teil Oberösterreich. Gerüchte schwirrten, man könne von Enns aus, über die Donau, nach Mauthausen (damals noch mit einer Fähre). Also auf nach Enns. Zu Fuß an die Donau. Daneben eine Riesenwallfahrt: Menschen, Pferdewagen, Handwagerln aller Art, jedoch auf dem Weg zur Fähre, ein Schranken und davor ein US-Soldat.

Dass in Mauthausen ein KZ eingerichtet war, hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt tatsächlich nicht gewusst. Niemand durfte die Fähre betreten, außer denjenigen, welche drüben wohnten und herüben arbeiteten. Nun kam mir mein I-Ausweis zu Hilfe: “Ried i. I.” !!! Ein “Blitzeinfall” – es gab und gibt in unserem Land, eine Unzahl Orte mit Namen “Ried”, und einen solchen hinter Mauthausen. Ich fand ihn auf der Landkarte, die ich bei mir hatte. Darauf und auf der kürzlich erfolgten Besetzung durch russische Truppen, des oberen Teiles Oberösterreich, basierte mein Plan, “Frechheit siegt”, ein bisserl englisch parlierend, zeigte ich dem amerikanischen Soldaten, meinen Ausweis, verwies auf der Landkarte auf den Ort “Ried” hinter Mauthausen: “meine Eltern wären drüben” und so fand ich mich, selbst überrascht, dass es geklappt hatte, mit einem jungen Ehepaar aus dem 3. Bezirk, ich glaube, sie wohnten in der Kölblgasse, in einem Kahn, in die Auen von St. Valentin über die Donau gerudert. Kostenpunkt – 20 Reichsmark! Das Boot war übervoll. Wir erfuhren, dass ein Zug nach Wien ging – erspart mir die Beschreibung des Zuges – so fuhren wir 12 Stunden durch die Nacht. Der Westbahnhof total hin, wie so vieles. Zu Fuß zum Raimundtheater. Dort wurde bereits gespielt – “Mein Vater, der singt ja,ja, – jeden Tag, aber wo er wohnt? “

Wieder den Rucksack gepackt, wieder weiter, unter der zerstörten Stadtbahnbrücke – Dunklergasse – Migazziplatz, dort wohnte eine Tante – Haus weg – also weiter in die Bendlgasse. Tante Paula, dasselbe Malheur, zufällig kam deren Bruder, der mich ins Haus vis-a-vis wies, na endlich erfuhr ich, meine Leute wohnten Lainzerstrasse 103 !!

Nachher erzählte mir mein Vater, dass er noch Glück hatte, mit der Übersiedlung. Er bekam an die alte Adresse, Mandlgasse 19 die Einberufung zum “Volkssturm” – das waren die “letzten Aufgebote” Kinder und ältere, ganz alte Menschen, die den “Krieg zum Endsieg führen sollten !!” Der Hausbesorger Herr Postl, in der Mandlgasse hatte Linzerstrasse 103 und nicht Lainzerstrasse, angegeben, so dass die Einberufung nie ankam und dann war die rote Armee schon in Wien.

Da die Stadtbahn bereits bis Hietzing fuhr, gelangte ich so zum 60iger, der mich wiederum weiter brachte, bis nach Hause.

Ein nicht zu beschreibender Willkomm! Nach all diesen Jahren endlich wieder in Wien daheim!

Wie kann man – heute – von Euch verlangen, eine Zeit zu begreifen, in der wir leben mussten, in welcher wir nichts anderes als überleben wollten. Allein, dass mit Kriegsende endlich Frieden im Lande war, keine Bomben fielen, war für uns – junge Leute damals – Glück.

So begann ich mit dem Studium der Theaterwissenschaft, mit Sprech- und Gesangsunterricht bei dem bereits erwähnten Burg- und Kammerschauspieler Franz Höbling, der auch Opern- und Konzertsänger war. Natürlich begleitete ich, wie früher, meinen Vater, auf all den nicht zerstörten Bühnen, bei unzähligen Gastspieldirektionen, die aus “dem Boden schossen”, Max Lustig und Ernst Track waren die bekanntesten und vor allem, seriös.

Im Stadttheater wurde nicht nur Oscar Straus‘s “Walzertraum” gespielt, es gab vormittags Matineen, bei welchen u.a. Maria Andergast mit Hans Lang auftrat, für mich stets eine Freude, hinter den Kulissen zu warten., diese beide Künstler erleben zu dürfen. Paul Hörbiger in seinem Solo oder Peter Igelhoff u.v.a.

Im Neuen Schauspielhaus, bei der Lobkowitzbrücke, Theateraufführungen mit Josef Egger, Hans Moser, Paul Kemp, bei diesen führte Karl Paryla Regie, nach seiner Rückkehr aus der Emigration. Im Raimundtheater wurde Leo Falls “Fideler Bauer” und Edmund Eyslers “Goldene Meisterin” ensuite, bei vollen Häusern, gespielt – ach, Kinder, es war eine armselige Zeit, an Essen, Trinken, an allem hat es gemangelt, aber – wir waren ja nicht verwöhnt, doch wir konnten endlich tanzen, in die verschiedenen Lokale gehen, ohne Uniform, den einzigen guten Anzug, dazu Hemd und Krawatte tragen. Heute wird eine Uniform zum Teil abgelehnt und doch haben viele eine uniformierte Kleidung. Wir haben uns gefreut auf schöne Kleidung, frisiert, rasiert, ein Mädel im Arm halten zu können und vor allem gesund zu sein. Dreckig, lausig, uniformiert waren wir lange entmündigt genug. Es waren die “schönsten Jahre unseres Lebens” gewesen, die wir opfern mussten, jetzt wollten wir endlich Freude haben!

Im Simpl in der Wollzeile, es war die “Vor Farkas – Zeit”, waren Heinz Conrads, Ernst Waldbrunn, Karl Fochler, Wondra und Zwickl, die Damen Mimi Stelzer, Marieluise Tichy, Hilde Kraus, Thea Weis und mein Vater, Euer Opa auf der Bühne – heute wäre er schon Urgroßvater.

Nicht nur im Simpl war er engagiert, auch das Raimund- und Stadttheater, das Neue Wiener Schauspielhaus und die verschiedenen Veranstaltungen waren seine Beschäftigungen. Wie haben wir das alles geschafft, ohne Auto, ohne ordentliche Verkehrsverbindungen? Es musste gehen und es ging!

Vielleicht werdet Ihr fragen warum wurde so viel gearbeitet, gespielt? Unsere “neue” Wohnung, die wir Anfang Dezember 1945, in der Nähe des Kinderspitals, in Miete bezogen, war leider ebenfalls nach Bombeneinfall, beschädigt. Die Handwerker wurden zwar bezahlt, kamen jedoch nur dann, wenn auch in “Naturalien” beglichen werden konnte: Zigaretten, Schmalz, Erdäpfel, etc. So kostete Ende 1945 ein Kilo Schmalz, in alter Reichsmark-Schillingswährung in Worten: tausend Schilling !!! Genau so viel waren 10 Kilo Erdäpfel wert – alles das “im Schleich”, am sogenannten “Schwarzen Markt” – jetzt habt Ihr eine kleine Ahnung, was da geleistet werden musste.

In die Universität fahren? Vom Gürtel Wiens, bis in die Innere Stadt lagen die Trümmer fast bis zum ersten Stock, alles wanderte.

Mit mir studierten damals heute bekannte Namen: die leider allzu früh verstorbene Lona Dubois (sie war am Burgtheater, spielte noch mit Josef Meinrad, im “Mädel aus der Vorstadt”), Hilde Sochor, Herbert Lederer (sein Einmanntheater am Schwedenplatz war literarischer Genuss), die späteren Journalisten Hans Heinz Hahnl, Robert Proßel und Leo Engerth. Dr. Castle war der Institutsleiter, Herbert Waniek, Adolf Rott die Professoren, die unterrichteten. Wir haben unsere evtl. Fahrten, Studiengebühren, Bücher, etc. selbst bezahlen müssen, es gab gar nichts umsonst, unser Staat war völlig arm. Aber wie gesagt, wir waren nicht verwöhnt. Wir waren nur froh, wieder Österreicher sein zu dürfen!

Nun folgt ein privates, ganz privates Lebenskapitel von mir, welches ich – leider – durchstehen musste und mir eine Lehre wurde, die ich an Euch weitergeben möchte – nur als Lehre, denn Euer Leben gestalten müsst Ihr selber.

Man nennt alle diejenigen “Spätzünder”, die halt länger zuwarten, zu allem länger brauchten, weil sie von zu Hause strenger gehalten, erzogen wurden. Als ich von meiner Soldaten – Kriegszeit nach Hause kam, hatte ich noch keinen Frauenkontakt gehabt. Ja – Freundinnen vom Theresienbad, von der Tanzschule kannte ich, aber so wie’s heute “Sex” heißt, war bei mir bis zum November 1945 “Null”! In ein Soldaten-Bordell zu gehen, wie es viele machten, wäre für mich ein Grausen gewesen und so fanden sich ein paar wirklich nette, saubere Mädchen, die mich “Unbetamten anlernten”, aber ich “ging dann auf den Leim”, wie man so schön sagt, ließ “alles liegen und stehen”, heiratete “Hals über Kopf “ am 14. Mai 1947, es war der “Silberne Tag” meiner Eltern, gemeinsam mit ihnen, in der wunderschönen Kaasgrabenkirche. “Drum prüfe, wer sich ewig bindet”, – ich hatte leider “nicht geprüft!“ Unser Bub Emmerich kam am 7.1.1948 zur Welt. Mein – sogenanntes – Glück brach September/Oktober 1948 zusammen, als ich, mit einem Blinddarmdurchbruch operiert werden, danach 6 Wochen mit Bauchfellentzündung im Wilhelminenspital liegen musste. In diesen Wochen wurde mir einiges klar, als die “damalige” Ehefrau die Scheidung verlangte. Zum körperlichen, kam der seeliche Schmerz. Mein Glück – wie stets im Leben, gehört Glück immer dazu – welches ich noch hatte war a) meine Jugend (24 Jahre), b) es gab bereits Penicillin und vor allem c) mein Elternhaus. Es gab mir Sicherheit, sie nahmen mich und den damals neun Monate alten Buben – ihr Enkel – als zweiten Sohn, auf. Ein bitterer Abschnitt war abgeschlossen und eine Lehre für mein Leben!

Das Leben geht aber weiter und es sollten noch einige Lehren folgen.

Vom Februar 1949 an war ich kaufmännischer Angestellter bei Alois Medek, Freund meines Vaters, der ein Linoleum, Vorhänge- und Teppichgeschäft in Meidling hatte. Arbeitszeit Montag bis Freitag von 8-12 Uhr, von 14-18 Uhr und Samstag von 8-14 Uhr. Es war ein beinharter “Job”, Linoleum, Teppichrollen, Vorhänge schleppen, schneiden, liefern, am Samstag nach 14 Uhr das Geschäftslokal reinigen und Schaufenster dekorieren. Auch das habe ich gelernt, es wurde mir nichts geschenkt. Allerdings – im Herbst wurde es mir zu viel. Wurde Barpianist – auch kein “Honiglecken” von 22 Uhr, oft bis 4 Uhr früh, Klavier spielen und nicht nur für angenehme Gäste, aber es kam bald die “Erlösung”.

Die Versicherungsanstalt der österr. Bundesländer hatte für mich Verwendung und ich fand mich, wie “im Paradies”, die Dienstzeit war damals Montag bis Freitag von 7.30 bis 16.30 Uhr, Samstag frei. Als ich dann ins Parteienbüro versetzt wurde, lernte ich alle Sparten der Branche kennen und hatte eine noch schönere Dienstzeit. Wir waren zu dritt und wechselten unseren Samstag – Journaldienst, so dass wir jeden zweiten Samstag von 8 bis 13 Uhr anwesend sein mussten, aber dafür jede zweite Woche bereits um 13 Uhr nach Hause konnten. Im Sommer war das eine ideale Zeit.

Kinder – eine ideale Zeit begann, als ich damals, es war 1951, neben Willy Kralik saß. Er hatte gerade seine Artistenprüfung abgelegt, arbeitete, wie ich, nebenberuflich. Er als Conférencier und ich begleitete, nach wie vor, meinen Vater am Klavier.

Es war die Zeit, als in der Börse, im Großen Saal, Varieté – Tanz – und diverse andere Veranstaltungen stattfanden. Willy war ganz begeistert, dass mein Vater ihm das DU-Wort angetragen hatte und so war unsere Freundschaft irgendwie fester geworden. Durch Willy habe ich am 2. März 1951 Gretl kennen gelernt. Es war nicht gleich “Liebe auf den ersten Blick”, aber es wurde eine Liebe, die Jahrzehnte erprobt und eine zu Ehe erhobene Liebe gelangte, bald 45 Jahre andauert. Wir waren beide irgendwie “gebrannte Kinder”, hatten beide einiges erlebt, mitgemacht, es war nicht alles “Gold”, wir brauchten Zeit, aber es gelang. Sie arbeitete ebenso wie ich, und jetzt – anno 1951 – bei den Großeltern in einem Bürsten und Besengeschäft. Gretl verdiente damals, als Geschäftsfrau, wesentlich mehr als ich, war großzügig und hat eigentlich erst zu sparen begonnen, als wir beschlossen zu heiraten. Ganz leicht hatte sie es ja auch nicht mit mir. Oft war ich mit meinem Vater abends unterwegs. Natürlich nahm ich sie mit und sie lernte durch mich die “bunte Welt Bühne” kennen und deren Facetten.

Besonders der Silvester-Abend hatte es ihr angetan. Waren wir doch am 31. Dezember, auf den 1. Jänner nachts, immer so bei 10 Veranstaltungen eingesetzt und das Ende war, mit allen Freunden im Kaffee Föderl, um 3 Uhr früh. Wie oft sie mir geklagt hatte, sie würde “so gerne endlich einmal” am Silvesterabend mit mir allein feiern? Heute meint sie “es war doch herrlich, dass wir das alles gemeinsam erlebt haben!” Es waren ja auch Veranstaltungen mit Persönlichkeiten, die leider nicht mehr unter uns weilen, bzw. nur mehr einige, wie z.B. Hilli Reschl, Fritz Muliar, Karl Terkal u.a.

Damals trafen wir nach diesen Auftritten: Fritz Imhoff, seinen Bruder Ernst ArnoldMax(i) BöhmHeinz ConradsWondra und ZwicklKarl Hruschka, Gerd Türmer, Ernst Waldbrunn, Kammersänger Georg (Schorschi) Oeggl, Rudolf Christ, mir fallen alle Namen nicht ein, sie waren so zahlreich und es gab stets eine “Riesenhetz”.

Eines änderte sich mit 1956. Zu unserem bereits achtjährigen Emmerich, kam im August ein Mädchen, Elisabeth genannt.

Im April gleichen Jahres war ich drei Wochen in ein Diätheim Oberrohrbach eingewiesen {es betraf eine Gallenblasenentzündung) und lernte dabei meinen “Zwillingsbruder” Erich Unger kennen. Durch Zufall konnte ich seinen “Einweisungsbogen” lesen. Erich saß neben mir und wartete, wie ich auf die Zimmereinteilung. Sein Geburtsdatum: 26. Mai 1924, also wie meines. Dass wir dann beinahe unzertrennlich waren ist klar. Erich Unger stammte aus der Leopoldstadt, von Wiener Eltern, die Juden waren. Er konnte 1938 fliehen, war U-Boot in Belgien, (d.h. er lebte im Untergrund, versteckt, untergetaucht um zu überleben) als er nach Kriegsende zurückkam, fand er von den Seinen niemanden vor, so wurde meine Familie die seine. Unsere Kinder sagten “Onkel Erich” zu ihm, wir “feierten” unseren Geburtstag jedes Jahr, es brauchte lange Zeit, bis er die richtige Gefährtin und auch den richtigen Beruf gefunden hatte. Als er es glücklich geschafft glaubte, blieben ihm noch fünf Jahre. Im März 1980 mussten wir von ihm Abschied nehmen, er starb an Leukämie. Die Entbehrungsfolgen zwischen 1938/1945 waren spät, aber doch ausgebrochen.

Vom Jahr 1960 an bat mich mein Vater ihm beim Manuskript verfassen behilflich zu sein. Er lieferte mir die Lebensunterlagen, die Musikstücke und ich, ein bisschen talentiert für die dazu passenden “G’schichterln” , “baute” wie es im Fachjargon heißt, seine Sendungen, die er dann für sich selber “zurecht bog.” So kam ich auch in dieses Metier!

1957 wechselte‘ ich zur “Riunione – Interunfall” Vericherung. Ich glaube – rückblickend – es war gut so. Der damalige Personalchef Dr. Kristinus (mit seiner Frau Gerti und ihm entwickelte sich eine wunderbare Freundschaft) und Direktor Domanig, bei der Riunione (er war der Sohn des Komponisten Roman Domanig-Roll (“Secht’s Leuteln, so war‘s anno 30ig in Wien”, “Der Wiener Troubadur”, “Lanner Musik” waren von ihm) sind mir verständnisvolle Vorgesetzte gewesen. So konnte ich 1963, das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden und es gelang mir, in die “Autofahrer unterwegs” Sendung zu kommen.

Mit Rosmarie Isopp (heute noch befreundet) waren wir – mein Vater und ich – in einem Programm in Gänserndorf engagiert. Sie konferierte und ich fragte sie anschließend direkt, “ob es nicht auch interessant wäre, über Versicherungsfragen zu referieren?” Nach Rücksprache mit dem Rundfunk und dem Versicherungsverband der österreichischen Versicherungsanstalten, begannen Frau Isopp und ich, ab Oktober 1963, zwei Male im Monat über aktuelle Versicherungsfragen zu plaudern. Alles LIVE! Im AEZ-Saal vor Publikum. Nach der Sendung kamen Anrufe aus ganz Österreich und plötzlich stellte sich die Ähnlichkeit der Mikrophonstimme zwischen Vater und Sohn heraus, dass mein “Erzeuger” gefragt wurde “seit wann er auch über Versicherungsfragen rede?” Irgendwie geschmeichelt antwortete er “das ist mein Sohn, net i! “

Zu Ing. Hilgers “Alle Neune”-Sendung wurde ich dann eingeladen, sang mein erstes Liedel, begleitet vom Freund Norbert Pawlicki und es hieß dann nicht mehr “sind sie der Sohn vom Schauspieler, sondern, sie sind der vom Autofahrer unterwegs!” Und so fand ich mich zurück zu dem, was ich bereits 1945/46 und 1947 gelernt und nie ausgeübt hatte.

Als mein Vater plötzlich und unerwartet “fast in den Sielen” im November 1965 verstarb, übertrug mir, nach Rücksprache, der damalige Hörfunkchef Dr. Alfons Übelhör, die Weiterführung der Sendungen meines Vorbildes. Wie gut, dass ich durch meinen Vater alles kannte!

Bis 1967 plauderte ich in der “Autofahrer”-Sendung und über unsere österreichisch-wienerischen Komponisten, Textautoren und auch Interpreten, zu deren Geburts- und Todestagen und anderen Daten.

Als dann, nach dem Rundfunkvolksbegehren, der ORF “gegründet” und neugestaltet wurde, war ich als freier Mitarbeiter beim neuen Hörfunkchef Dr. Hartner nicht mehr gefragt. “Mangelnde Sprechqualität” der angebliche Grund, nach mehr als vier Tätigkeitsjahren. Die interessante Korrespondenz habe ich noch!

Es “rauschte damals in den Blätterwäldern”, hat aber nichts geändert, so ähnlich wiederholte es sich 1992, als das “Neue Radio Wien” einen neuen Intendanten bekam, der genau so die Wünsche der Hörerinnen und Hörer ignorierte, wie seinerzeit 1967.

Was ich an Intendanten er– und überlebt habe!

Dabei kann ich doch sicherlich anführen, auf den Gebieten “Versicherung” und “österreichisch-wienerischer Unterhaltungs-Musik” in gewisser Beziehung “Fachmann” zu sein.

Aber wenn der Herrgott net will, nutzt das gar nix.

Ein wunderbares, persönlich – privates – Erleben wurde meiner geliebten Gretl und mir zuteil: 1966 kamen wir in die “RUNDE”.

Es war eine wöchentliche Zusammenkunft von prominenten Komponisten, Textautoren und Freunden unserer Musik, die ich alle ja bereits kannte, aber erst durch die Einladung zu ganz persönlichen Freunden wurden. Aus der alten “Stammersdorfer-Runde” (der noch meine Eltern angehörten, sowie der Rundfunk-Musikfachman Josef Kunerth, (“Bleib’ ma no a wengerl sitzen”, “A zwastimmigs Weanalied”), Otto Riedelmeyer, er war Dentist, Verleger und Komponist (“Ich hab den Wagen voller wunderschöner Mädchen”, “Man bleibt nicht zwanzig Jahre”, “I möcht halt so gern dein Herzbua sein”) entwickelte sich halt die “RUNDE”.

Der gestrenge Herr Rundenpräsident, Zusammentrommler seiner Schäfchen war Josef Sirowy (“Kennst du Wien”, “I möcht gern dein Herzklopfen hören”), Erik Jaksch, der exzellente Rundendichter und Sprecher (“Millionenhochzeit” und “Veronika” waren Operetten von ihm, “Denk ich wie’s früher war” u.v.a.) Hans Weiner-Dillmann (“Ein paar Blumen hast du mir geschenkt”, “Es ist net’s erstes Mal”, “Das war amal”, “das Johann Strauß-Haus”, “O Don Fernande”). Von Hans Lang Titel zu nennen, hieße “Wasser in die Donau schütten”. Anton Profes (seine Filmusik zu “Weisser Traum” den “Sissy Filmen”, “Ich trag im Herzen drinn”). Hans Pero Komponist und Bühnenverleger, die grandiosen Textautoren Josef “Joschi” Petrak (alle “Lumpazivagabundus” Filmtexte mit Hans Lang, weiters “Lach a bissel, wein a bissel”, “Sommersprossen”, “Wie Böhmen noch bei Österreich war”, “Mein Herz ist verliebt in die Wiener Musik”). Hans Werner, den wir nur als unseren “Nußbaum” bezeichneten, fallweise kam auch Franz Zelwecker (“Heut’ hab ich ein kleines Rendezvous mit meiner Jugendzeit”) und mit Herbert Seiter waren wir damals die Jüngsten der RUNDE,

Alle, alle angetrauten Ehegesponsinnen stets dabei, und die aus Liebe zur Wiener Musik stießen, waren noch Komm.Rat Gustl Schneider aus Strasshof, mit seiner Lottinka. Das war einmal, und ich glaube unsere Lisi und auch Emmerich waren einige Male mit in der RUNDE.

1969 im Mai, machte ich “spaßhalber” bei einer Ausschreibung mit und erhielt – unverhofft und völlig überrascht- den 2. Preis, des deutschsprachigen Dienstes von BBC – London. Beim Empfang in der Britischen Botschaft filmte sogar das Fernsehen des ORF.

1975 wieder Wechsel im Hörfunk, durch den Intendanten Wolf in der Maur gelangte ich, als freier Mitarbeiter an den “alten” Platz. Von da ab “gestaltete und beplauderte” ich (jetzt hieß das “Moderator”) bis November 1992, mehr als 500 Sendungen, musikhistorisch wertvolle, sodass ich taxfrei von einer Hörerin den Ehrentitel, “sie sind für mich der Marcel Prawy der Wiener Musik” erhielt. Den großartigen “Opernführer” Prof. Dr. Marcel Prawy lernte ich kennen und schätzen, als Vizepräsident der Internationalen Franz Lehar Gesellschaft, in deren Vorstand ich vor Jahren berufen wurde. Deren Präsident lange Zeit, der leider viel zu früh verstorbene Kammersänger und Operndirektor von Wien war, Eberhard Wächter, den ich ebenfalls als Freund bezeichnen durfte.

Im Dezember 1974 erhielt ich vom Land Wien, das “Goldene Ehrenzeichen” und von den verschiedensten Wiener Vereinen z.B. “das goldene Wienerherz”, “die Robert Stolz Medaille”, eine Plakette von der “Vereinigung das Wienerlied”, den “goldenen Wiener” von der Wiener Volkskunst.

Nun beginnt die Zeit, die ich die “auslaufende des glückhaften Lebens” bezeichnen möchte.

Es ist das Leben “wie eine Kerze”, sie brennt und brennt, bis zu dem Punkt, wo sie einmal langsam oder schnell verlischt…

Gretl und ich wollten immer nach dem Süden Wiens, hier gefiel uns die Badener Umgebung. Viele unserer Freunde wohnten bereits “außerhalb von Wien”. Wir konnten, nach einer Empfehlung Dr. Dolf Werners, in Bad Vöslau den Grundanteil einer Eigentumswohnung erwerben. Unser Grundsatz “keine zu großen Schulden” blieb! 1975 war Schlüsselübergabe, es brauchte allerdings drei, vier Jahre bis die Wohnung bezugsfertig möbliert war.

Die ständige Übersiedlung nach Bad Vöslau war und ist für uns Beide, im fortschreitenden Älterwerden, ein gewisser “Jungbrunnen”. Die wunderbare Umgebung, mit guter Luft, die Ruhe, der Wienerwald am Fuße des Harzberges, gibt uns die Kraft noch einige Jahre des Lebens genießen zu können.

Gretl erfreut sich der Aufgabe für ihre Enkelbuben Max, Mo, Johannes da sein zu dürfen, der große Thomas besucht uns fallweise mit Isabella – und ich helfe, wo ich kann und noch gefordert werde. So, mit meinem “ewigen Steckenpferd” Musik. Dank an Rudi Malat und seine Schrammeln, dadurch habe ich die Gewissheit noch geistig fähig zu sein, bis für uns die “auslaufende Zeit” zu Ende gehen wird

Sie möge in einer friedlichen sein!

Text von Emmerich Arleth

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