Amalie „Maly“ Nagl, verheiratete Wolfsecker
geboren am 02.02.1893 in Wien
gestorben am 20.12.1977 in Wien
beerdigt in einem ehrenhalber gewidmeten Grab auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 13B, Reihe 1, Nr. 23)
1970 Silbernes Verdienstzeichen der Stadt Wien
Als ich ein kleiner Bub war, hatte ich eine Menge Sachen in meinen Hosentaschen: Spagatschnürln, Taschenmesser, Stoppeln, Nägel und ein Wolferl.
Was ein Nagel ist, weiß die heutige Jugend, was ein Wolferl ist, das wage ich schon anzuzweifeln. Das „Wolferldrehen“ hat sich in den Gassen und Straßen unserer Stadt aufgehört, der hektische Verkehr vertreibt das Spiel, das ich noch vor rund 40 Jahren betreiben konnte.
Aber die Namen „Nagl“ und „Wolferl“ sind nach wie vor ein Begriff in Wien! Am 13. November 1970 wurde dem Ehepaar Wolfsecker, uns Wienern besser bekannt als die Volkssängerin Maly Nagl und ihr Mann, der Wienerlieder-Komponist Fritz Wolferl, im Roten Salon des Rathauses der Stadt Wien das Silberne Ehrenzeichen unserer Vaterstadt verliehen.
Beide erhielten diese Auszeichnung für die Verdienste um diese Stadt, beide werden geehrt, weil sie bald 50 Jahre gemeinsam die Lieder unseres Wiens gesungen und in aller Welt populär gemacht haben.
Der Vater von Fritz Wolferl war der allseits bekannte und beliebte „Tambour-Wolferl“. Der Familienname Wolfsecker war zu lang, der Tambour ein Mann von kleinem Wuchs, also hatte er seinen Spitznamen „Wolferl“ weg. Der blieb sein Künstlername und wurde auch der seines Sohnes.
Ich selbst hatte noch nach 1945 des Öfteren Gelegenheit, die „Schlagfertigkeit“ des „Deutschmeister-Wolferl“ auf der Trommel zu bewundern, „ein kleiner Mann, ein großer Musiker“, was Wunder, dass die Musikalität auf den am 29. September 1899 geborenen Fritz überging. Aber ich bitte Fritz um Vorrang für seine liebe Frau Maly, „Ladies first“ oder auf gut wienerisch, „z’erst die Damen …“
Die Maly Nagl war mit ihrer Schwester Mizzi eine Attraktion. Die „Nagl-Mädln“ waren Natursängerinnen, und sie waren die Sterne beim Salonheurigen Wolf in Pötzleinsdorf, in der berühmten „Waldschnepfen“ in Dornbach und auch im ersten Kabarett der inneren Stadt, der „Fledermaus“, um die zehner Jahre.
Am 10. September 1908 finde ich im „Wiener Theater Courier“ eine Notiz: „Die Schwestern Nagl sind echte Mädel aus dem Volk, die Töchter einfacher Leute. In ihrem Fach sind sie Naturtalente. Sie kennen keine Note und singen dennoch ganz herrlich. Stimme ist genügend vorhanden … Ihr Vortrag hat etwas Herzliches …, ihre Bewegungen sind kokett, doch ist es keine berechnende Koketterie.“
Soweit der Kritiker von damals. Nun, seit damals hat sich sehr vieles gewandelt im Laufe der Jahre, aber die Liebe zu Wien und seinem schönen Liederschatz leuchtet der Jubilarin noch immer aus den Augen, und nach wie vor ist sie nicht abgeneigt, zu singen.
„So ganz unter uns dudel i schon noch eines“, verrät sie. „Ich muß alle Tag’ mei Wiener Lied hören“ oder „I häng’ an meiner Weana-Stadt“ — das sind Lieder vom Fritzl, die sie besonders gerne singt.
Und da sind wir wieder beim Fritz Wolferl, der anfangs nicht gleich mit dem Wienerlied-Komponieren anfing. Mit 16 Jahren prophezeite man ihm eine große Karriere als Geiger, aber dieser stand leider der Erste Weltkrieg und eine Handverletzung, die er aus dem Krieg davontrug, im Wege. Fritz wurde Schlagzeuger und Sänger, von der Kaiserbar kam er zur „RAVAG“, wo er eine wöchentliche Abendsendung „60 Minuten Barmusik“ betreute.
Nebenbei spazierte er viel durch seine Heimatstadt, Ausgleichssport zur sitzenden Tätigkeit, und sammelte diese so gewonnenen Eindrücke im Gedächtnis, begann sie dann niederzuschreiben Und so entstanden die ersten Texte, die immer originell waren.
Ein Freund fragte ihn einmal: „Woher nimmst du diese Einfälle?“
„Geh’ langsam durch die alten Gassen“, antwortete ihm der Fritzl, und schon war wieder ein Wienerliedtext geboren. Der „Schottenfeldermarsch“, den der Schmid-Hansl (über den ich sicherlich auch bald berichten darf) so einmalig bringt, „Wer das Wienerlied erfunden, ja der g’hört in Gold gebunden“ sind von ihm.
Vor allem „hat mich die Maltschi immer angeregt, zu schreiben und komponieren.“ Ja, die Maly Nagl war ihrem Ehemann immer eine ehrliche Kritikerin. Sie hat ihn animiert, inspiriert, kritisiert und vor allem seine Lieder interpretiert.
Was wollen wir von diesem „echt wienerischen Paar“ mehr? Die Ehrung steht beiden vollauf zu, und ich freue mich, dass ich als Freund dabei sein konnte, und schließe mit dem Wunsch: „Mögen Euch noch viele Jahre gemeinsamen Lebens und Schaffens vergönnt sein!“
Text von Emmerich Arleth