Erni BIELER

Erni BIELER

bürgerlicher Name: Ernestine Geisbiegler
Gesang
geboren am 18.05.1925 in Wien
gestorben am 11.07.2002 in Wien
beerdigt in der Feuerhalle Simmering in Wien, Abt. 2, Ring 1, Gruppe 4, Nr. 240

1969  Hut vom lieben Augustin in Bronze von der Robert-Posch-Vereinigung

Eigentlich wollte sie ja Opernsängerin werden, die gebürtige Wienerin Ernestine Geisbiegler – wie Erni Bieler mit ihrem bürgerlichen Namen hieß. Schon als kleines Mädchen trällerte sie vergnügt vor sich hin, und im Familienkreise bewunderte man schon damals Ernis glockenhelles Stimmchen. Familiär war die junge Österreicherin durchaus musikalisch vorbelastet. Denn auch Erni Bielers älterer Bruder hatte schon früh eine erfolgreiche Laufbahn im Reich der Töne eingeschlagen: als Ensemblemitglied bei den Wiener Symphonikern.

So war es auch nicht weiter verwunderlich, dass die am 18. Mai 1925 geborene „kleine Schwester“ sich ebenfalls entschied, mit einem Gesangsstudium zu beginnen – allerdings, so wie es sich für eine ernsthafte Künstlerin gehörte, im Opernfach.

1944 schloss die gerade 19 jährige ihre Staatsprüfung mit einer Traumrolle aus der Feder des österreichischen, Vorzeigekomponisten“ Wolfgang Amadeus Mozart erfolgreich ab: Sie sang die Partie der „Königin der Nacht“ aus der „Zauberflöte“.

Natürlich wartete man auch damals nicht gerade in den Wiener Opernhäusern darauf, die ambitionierte Sängerin für eine Hauptrolle zu verpflichten. Erni Bieler (noch hieß sie ja ganz prosaisch Ernestine Geisbiegler) musste sich vorderhand mit zwei ihr vorliegenden Angeboten zufriedengeben: Sie hatte die Wahl, entweder als Zweitbesetzung in der sogenannten „Provinz“ – in St. Pölten – ihr Glück zu versuchen, oder sich anonym in den Chor der Wiener Staatsoper einzureihen. Beides war nicht nach ihrem Geschmack: Zweitbesetzungen führen ja nur zu oft ein Stiefmütterchendasein, Chormitgliedern gelingt es nur selten, aus dem Schatten ihrer gleichrangigen Kolleginnen zu treten. Zudem fühlte sich die junge Sängerin, trotz ihres klassischen Gesangsstudiums, längst schon zur leichten Musik hingezogen. Und so fasste Ernestine den für sie folgenschweren Entschluss, die ernste Musik ad acta zu legen und es einmal mit Schlagerliedern zu versuchen.

Sie hatte das Glück, zwei Studienkolleginnen für diese Idee zu begeistern. Mit ihnen, den Schwestern Winkler, gründete sie ein Gesangstrio. Ein talentierter Pianist wurde ebenfalls gefunden, und so erprobte man die gemeinsame Sangeskunst zunächst bei diversen Hochzeitsfeiern und ähnlich festlichen Anlässen. Zum ersten öffentlichen, vollprofessionellen Auftritt kam es dann endlich im Wiener „Club Tabarin“ – und dieser gestaltete sich zu einem unerwartet großen Erfolg.

Die drei Damen wurden für ihre hervorragenden stimmlichen Darbietungen begeistert gefeiert, auch wenn deren Gage sich damals noch nicht in knisternden Banknoten, sondern – der Nachkriegszeit entsprechend, aber dennoch sehr erwünscht – sich zunächst in „Naturalien“ ausdrückte: in Essbarem aller Art.

Für Ernestine war dies jedoch durchaus ermutigend genug, die gerade bestiegene Karriereleiter weiter hochzuklettern. Ihr Bruder allerdings war darüber gar nicht erfreut: Der seriöse Musiker befürchtete nicht ganz zu Unrecht, dass sich seine Schwester im Schlagerfach ihre ausgebildete Koloraturstimme ruinieren würde. Für ihn war es schlechthin unfassbar, dass eine ausgebildete Opernsängerin sich nunmehr sogar für Jazz begeisterte und mit dem bekannten Interpreten dieser Musiksparte, Hans Koller, sowie dem „Hot Club Vienna“ bei diversen Wiener Jazzklubs ihr Gesangsdebüt gab.

Das war 1947 – und noch im selben Jahr wurde diese Formation auch für die Schallplatte entdeckt. Gerhard Mendelson, Produzent der Firma „Elite Special“, ist von den stimmlichen Qualitäten der jungen Künstlerin sehr angetan, lässt sich von ihr einige Gesangsproben in den Wiener „Austrophon Studios“ geben, legt ihr aber zweierlei nahe:

1. einmal die „englische Krankheit“ abzulegen – ihre durch den Jazzgesang beeinflusste Phrasierung -, und
2. sich einen gängigen Künstlernamen zuzulegen: aus Ernestine Geisbiegler wird „Erni Bieler“.

Bald darauf darf sie sich über ihren ersten Schallplattenvertrag freuen und startet in eine neue Karriere.

Trotz vorhandener Begabung hat Erni Bieler aber nie einen ihrer zahlreichen Jazztitel auf Platte gesungen. Dieser Gesangsabschnitt blieb demnach in ihrer langjährigen Laufbahn nur eine kurze Episode, und endete für sie mit dem Ende der vierziger Jahre.

Natürlich musste sich die frischgebackene Schlagerinterpretin erst mühsam ihren Platz an der Sonne erkämpfen. So gab es zwischen 1947 und 1949 zunächst nur sogenannte „Zweitaufnahmen“, die sie für „Astra-Schall“ und „Harmona“ auf Platten sang. Zweitaufnahmen, das waren Lieder, die zuvor bereits eine weit bekanntere Künstlerin populär gemacht hatte. Erni Bielers Stimme fand dennoch ihre Bewunderer. Anders als Lale Andersen, glockenhell und klar, sang sie beispielsweise den Hit „Lili Marleen“.

Es war ihre erste Solo-Platte (Rückseite: „Am Zuckerhut“) – eine „Elite Special“. Die Nummern „Tschiou Tschiou“ und „Coca Cola“ folgten als nächstes, danach der Tango (und Torriani-Hit) „Armer Gondoliere“, jeweils begleitet vom Hot-Club Vienna.

Vielleicht wäre Erni Bielers Gesangskunst zweitrangig geblieben, hätte ihr Produzent nicht die glorreiche Idee gehabt, die junge Künstlerin mit einem Sänger zusammenzuspannen, der damals bereits eine erfolgreiche Laufbahn eingeschlagen hatte: Rudi Hofstetter. Mendelsons Einfall erwies sich als goldrichtig: Das neugeborene Gesangsduo „kam an“, fand sofort Gefallen bei Publikum und Radiohörern.

In den Jahren 1950 und 1951 produzierte Erni Bieler deshalb ausschließlich Duett-Schallplatten mit ihrem neuen Partner Rudi Hofstetter. Anfang 1952 gelingt dann der Superhit, der beider Namen auf Anhieb auch im benachbarten Deutschland populär machte: „Ich möcht’ gern dein Herz klopfen hör’n“.

Von nun an ging es bergauf! 1952 darf sich Erni Bieler über ein traumhaftes Engagement freuen: Drei Monate lang singt sie ihre Schlager in einem Yachtclub auf einer Istanbul vorgelagerten Insel, wo die Haute Society Istanbuls, die Creme de la Creme, ihre Sommerfrische verbringt.

Was Erni Bieler damals besonders animierte, war der Umstand, dass sie während dieser Zeit nicht allein unter fremder Nationalität verbringen musste. Exponierte Musiker der Wiener Szene waren ebenfalls mit von der Partie: Atilla Zoller an der Gitarre, Hans Hammerschmid (heute ein gefragter TV- Komponist) am Klavier sowie die Vibraphonistin Vera Auer sorgten für die musikalische Begleitung.

Das Lied „Ich möcht’ gern dein Herz klopfen hör’n“ wurde für Erni Bieler (und Rudi Hofstetter) zum Dauerhit. Monatelang rangierte es in den Rundfunksendern der Bundesrepublik an erster Stelle. Für die verhinderte Opernsängerin, die nunmehr auch in Österreich, ihrer Heimat, zu einer „festen

(Schlager-) Größe“ geworden war, wurde dieses Lied der Auftakt zu einer zehn Jahre anhaltenden Vollbeschäftigung an öffentlichen Auftritten und Schallplattenaufnahmen.

Aber es machte der Künstlerin nichts aus, gut neun der zwölf Monate im Jahr „auf Achse“ zu sein – auf fortdauernden Gesangstourneen, die sie kreuz und quer durch die deutschsprachigen Länder führten.

„Alle Menschen waren damals in jeder Hinsicht ausgehungert“, erinnert sich Erni Bieler noch gut an diese Zeit. „Unsere Darbietungen wurden deshalb dementsprechend begeistert aufgenommen.“

Lediglich einen Wermutstropfen vermag Erni Bieler nicht ganz wegzuwischen, wenn sie dabei zusammenfassend bekennt: „Ich war zwar fast überall, gesehen aber hab’ ich damals so gut wie nichts!“ Sieht man von den Podien der Konzertsäle ab, wo die Sängerin ständig gastierte.

Aber nicht nur im deutschsprachigen Gebiet trat Erni Bieler in Erscheinung. Zwar denkt sie heute noch gerne an jene dreimonatige Tournee durch die BRD, die sie gemeinsam mit dem in jenen Jahren absoluten Schlagerstar Nr. 1, Vico Torriani, 1957 erfolgreich absolvierte, aber ebenso vielversprechend gestaltete sich zwei Jahre später auch ihre Tour durch die UdSSR – das allererste Gastspiel deutscher Unterhaltungskünstler seit Kriegsausbruch.

Mit dabei waren auch Max Greger und sein Orchester sowie u.a. ein blutjunger, noch relativ unbekannter Künstler namens Udo Jürgens.

Die Zeit zwischen ihren Gastspielreisen nutzte Erni Bieler für ungezählte Schallplattenaufnahmen. Sie sang solo, mehr aber noch (weil erfolgreich) mit so bekannten Duettpartnern wie Rudi HofstetterPeter Alexander und (dem auch als Filmkomponist und Bandleader populären) Erwin Halletz.

„Meine größten Verkaufserfolge verzeichnete ich als Mitglied einer von Gerhard Mendelson erfundenen Gesangsformation“, erzählt uns Erni Bieler. Diese Gruppierung nannte sich „Die Optimisten“, und gleich deren Einstand gestaltete sich sensationell. „Unser ‘Optimisten-Boogie’ wurde ein regelrechter Dauerbrenner“, weiß die Künstlerin. Ihr Plattenproduzent Mendelson war unerschöpflich in Einfällen. Er schuf „Lehmanns Gesangssolisten“, worin sich Erni Bieler mit einer der Winkler-Schwestern, Rudi HofstetterJörg Maria Berg (späterer Solo-Sänger sowie Gesangspartner von Peter Kraus – sie nannten sich „James Brothers“) sowie Erwin Halletz zusammentat.

Ab 1954 wechselte Erni Bieler auch die Plattenfirma; sie sang nunmehr auf Polydor. 1956 landete sie dort ihren ersten Hit: „Lass die Welt darüber reden“. Es folgte das „Mauerblümchen“, ein zünftiger Rock’n Roll (1957). Dass es auch hier wieder Duett-Aufnahmen (u.a. mit Jörg Maria Berg, Jimmy Makulis und Rudi Kreuzberger) gab, ist nicht weiter verwunderlich: Erni Bielers „alter“ Produzent Gerhard Mendelson hatte ebenfalls das Revier gewechselt – er betreute nun Polydor-Süd in Wien.

Um neue Ideen war er auch jetzt nicht verlegen. So erfand er für seinen weiblichen Star die „Kitty Sisters“. Unter diesem Pseudonym nahm Erni Bieler im Synchronverfahren sämtliche Stimmen hintereinander auf, wobei die Melodiestimme zuletzt draufgesungen wurde. Gerade hierbei zeigte es sich, wie gut es gewesen war, dass sich Erni Bieler auf eine „seriöse“ Gesangsausbildung im Konservatorium stützen konnte. Bei diesen Aufnahmen durfte sie ihr beachtliches Stimmvolumen zeigen, und konnte so ihre großartige Musikalität richtig zur Geltung zu bringen.

Wenn die Künstlerin heute auf ihre Karriere zurückblickt (sie lässt öffentlich ihre Stimme nur noch bei Privatveranstaltungen erklingen), dann hat sie sich nichts vorzuwerfen. An die 300 Lieder hat Erni Bieler auf Schallplatte gesungen – „Stardust“ und „Seit ich dich gesehn“, ihre beiden letzten Polydor-Aufnahmen, betrachtet sie als ihre gelungensten – , und lächelnd darauf angesprochen, meint sie resümierend: „Wissen Sie, ich hab’ immer musikalischen Spaß dabei gehabt.“

nach einem Artikel von Peter Krassa im Memory-Magazin Nr. 49, 17. Jahrgang, 1995

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