Die Hochburg der Wiener Musik ist unumstritten der 19. Wiener Gemeindebezirk. Durch die Weinorte wie Grinzing, Sievering, Nußdorf, Heiligenstadt und Neustift-Salmannsdorf waren und sind teilweise noch Weinausschanke mit Musik vorhanden.
Beginnen wir auf der Billrothstraße Ecke Chimanistraße, wo sich die “Königin-Bar” befand. Nach Heurigenkonsum wurde vom harten Kern der Drahrer in der “Königin-Bar” der Schlußstrich eines unterhaltsamen Abends gezogen. Dort wurde erstklassige Barmusik geboten mit einem reichhaltigen Programm. Musiker wie Charly Seebach, Tony Elsner, Karl Rubesch, Leo Baitek, Rico Garcarolli, Viktor Ducchini, Karl Kaubek und Rundfunkkapellmeister Heinz Sandauer waren die Garanten für erstklassige Barmusik.
Im Silbergassenviertel und in der Paradisgasse gab es Musikheurige wie den “Mandl“, wo Hans Paris spielte und die fesche Kellnerin Gerti Hruby sang, und kam man in die Grinzinger Allee, begann schon im Kaasgraben ein lustiges Treiben. In Grinzing angekommen war die erste Adresse der “Tramway-Hengl” mit dem Schrammelduo Felsinger, der selbst auch komponierte. Auch beim “Kleinen Berger” spielte ein Komponist, ein ganz besonders erfolgreicher Künstler namens Sepp Fellner. Wer kennt nicht das Lied “Über Nußdorf da leuchtet a Sternderl” oder “Was kann denn i dafür, daß i a Weaner bin”? Im “Alten Haus” gab es Schrammelmusik mit Fritz Pelikan und Franz Schöberl, beim “Poldi Kurz“, heute “Altes Presshaus”, spielten die Marchtrenker-Schrammeln mit Hans Korab und Otto Herschmann.
Ein sehr beliebtes Heurigenlokal war das “Weingut Rhode“, die spätere “Reblaus“, wo Franz Zwerina mit seinen Meister-Schrammeln jahrzehntelang gekonnt seine musikalischen Schmankerln servierte. Auch der “Trummelhof” war ein sehr frequentiertes Lokal, dort gab es warme Küche und die Wirtin Mitzi Enzl war eine hervorragende Köchin. Kein Wunder des Zuspruchs, denn damals gab es noch kein Heurigenbuffett. Man konnte unter Wienerlied-Klängen seinen Schweinsbraten besser verdauen. Im alten Gerichtsgebäude war die “Trummelhof-Bar“, wo es bis in die Morgenstunden Tanzmusik und guten Jazz gab mit Heinz Hrusa, Ferry Bilek und Kurt Wald. Auch im “Terrassen- Cafe” tanzte man nach Heurigenbesuch unter Kapellmeister Heinz Siech, der seine Geige gekonnt spielte und sich in die Herzen geigte.
Beim “Dr. Hengl“, heute “Weingut Reinprecht“, spielten ebenfalls erstklassige Musiker sowie der “Paganini aus Grinzing”, Rudi Pietsch, der leider viel zu früh verstorben ist. Gute Musik gab es auch beim “Berger“, wo die Schneider-Musikdynastie hervorragend spielte. Ein beliebter Heurigenbetrieb in Grinzing am Platz war der “Windhaber” mit seinen beliebten Schrammeln “Die Vorstadtkinder”, wo der “Harmonika-Gustl” auch zugleich Gstanzln und Couplets vortrug. Weiter oben war ebenfalls ein Heuriger mit dem Namen “Schnapperbuam“, der eigentlich schon damals ein imaginäres Heurigenkabarett war. Über jeden Gast wußte man gleich ein Gstanzl und er wurde schonungslos verrissen. Es war täglich überfüllt und es gab sogar Stehplätze.
Richtung Sandgasse beim “MALY” war wieder gute Musik mit dem Duo Schuh-Schneider. Franz Schuh war auch schon damals auf Schallplatten zu hören und auch im Duo mit Steffi Melz. Wer kannte nicht die Aufnahme “Ob ich will oder nicht”. Weiter hinunter in der Grinzinger Straße gab es das Lokal “AUGUSTIN IN GRINZING“, wo auch Barbetrieb war. Karl Pojsl, Otto Winkler und Yula Koch sen. musizierten alle gängigen Lieder und Schlager und als Abschluß bekamen die Gäste einen Luftballon mit der Aufschrift “Ich war beim Augustin in Grinzing”.
In Heiligenstadt “Am Pfarrplatz” ist bis heute die Schrammelmusik nicht wegzudenken. Namhafte Musiker wie Fritz Wielander, Roland Zaloudek, Franz Cenek, Fredl Frank, Roby der Wiener Zigeuner und viele andere unterhielten stimmungsvoll ihr Publikum. In der Probusgasse beim “Welser“, da sang und spielte der “Schöne Willy”, wo er täglich nebst Heurigenrepertoire das berühmte spanische Lied “Granada” schmetterte. Nebenan beim “Muhr” spielte das Duo Braunsteiner-Lohnicky und das Programm reichte vom Wienerlied über Volksmusik bis zum Schlager. Also Musik wo man hinhörte und damals noch kein Fremdenverkehr, daher war Grinzing der Pilgerort für alte Drahrer und Kenner des Wienerliedes.
Am Nußdorfer Platz bei der “Poldi-Tant“, musizierten die Pistor-Schrammeln. Ein Alt-Wiener Heuriger mit niedriger Hauseinfahrt und einem prächtigen Garten mit Kastanienbäumen, wie man es aus alten Wien-Filmen in Erinnerung hat. Gretl Wiener als Wienerlied-Interpretin entzückte mit ihrer Stimme ihr Publikum und viele begeisterte Fans kannten sie von den Wienerlied- Veranstaltungen, die damals der Konzertdirektor Robert Posch in Matinees, Kinoveranstaltungen und als Wiener Revue in vielen bekannten Konzertsälen den Wienern zur Unterhaltung bot.
Im “Cafe Zahnradhof” gab es Pianomusik am Wochenende und in der Hackhofergasse war der legendäre “Schier-Franzl” eine gute Adresse. Franzi Schier war einer der meistbeschäftigten Schallplatten-Interpreten und Nummer eins bei einschlägigen Veranstaltungen. Als Stamminterpret von Komponist Karl Föderl entstanden damals die Lieder “Was kann ich denn dafür, ein Zigeuner ist mein Herz”, “Du hast umsonst gelebt”, “Ein rotes Lebzeltherz”, “Ob ich will oder nicht”, und wer kennt nicht das Lied “I waß net, is Grinzing denn wirklich so schön”. Leider verloren die Wiener den “Schier- Franzl” schon in den fünfziger Jahren in seinem 45. Lebensjahr und Autor-Interpret Walter Lechner mit seiner Gattin Hermi übernahm für einige Jahre diese Kultstätte des Wienerliedes.
Auf dem Nußberg gab es nur Weingärten und die “Spitzbuben-Pawlatsch’n” kam erst Ende der fünfziger Jahre, wo man das erste Wiener Heurigen-Kabarett mit den “Spitzbuben” Helmut Schicketanz, Helmut Reinberger und Toni Strobl eröffnete.
In der Kahlenbergerstraße reihte sich ein Heuriger neben den anderen und in der “Nußdorfer Reblaus” gastierten die “Spitzbuben” bevor sie ihr späteres Engagement am Nußberg antraten. Beim “Greiner” hörte man Herbert Kowalsky und beim “Schübel-Auer” den unverwüstlichen Ferry Buchinger mit Partner als “Max und Moritz” sowie als Alleinunterhalter. Die “Heurigenschenke Urban” hatte auch immer gute Musiker und es war immer ein ständiger Wechsel, wie man im Fachjargon sagt: Von Stange zu Stange. Viele der Buschenschänken hatten außer einem guten Tropfen keine Musik und in bescheidener Eintracht konnten sich die Wiener für einen stillen Heurigen oder für “a Hetz und a Gaude” entscheiden.
Nun sind wir am Ende der Krottenbachstraße angelangt und sehen bereits die ersten Buschen baumeln, die einladend auf die Heurigengeher wirken. Neustift am Walde und Salmannsdorf sind eng aneinander gebunden, in Salmannsdorf wurde Johann Strauß Vater in einem Winzerhaus geboren und die umliegenden Weingärten bilden eine romantische Landschaft. Wenig Lärm, ruhige, stille Platzerln in schattigen Heurigengarterln prägen diese Heurigenorte.
Musik gab es vor 45 Jahren relativ wenig in Neustift. Beim “Ring!“, der damals ein großer Heuriger war, spielte ein Schrammelterzett, wobei der Gitarrist ein Schrammelkomiker war. Im “Hotelrestaurant Schild” gab es zeitweise Tanzmusik und beim bekannten Neustifter Kirtag war dort das Unterhaltungszentrum. Offen gestanden kam ich seltener in diese Gegend und kann mich auch nicht an einen musikalischen Boom erinnern. Es gab wohl zum Wochenende bei verschiedenen Heurigenlokalen Musik, aber ich kannte fast niemand von den damaligen Kollegen. Tanzmusik gab es aber in der “Hansi-Diele“, wo abwechselnd immer gute Musiker als Combo spielten und den Abschluß einer Heurigenpartie mit Rhythmus und Schwung bildeten.
Auch in Sievering war es ebenso, da gab es das Lokal “Zum dritten Mann“, wo Zitherkünstler Anton Karas aufspielte mit den “2 Rudis” (Rudi Schipper & Rudi Kurtzmann) und wo auch Karas zugleich der Hausherr war. Viele Prominente aus Politik, Kunst und Medien gaben sich dort ein Stelldichein und wenn Meister Karas Zither spielte mußte es mucksmäuschenstill sein, sonst war der Hausherr beleidigt.
Ein Heurigenlokal namens “Csarda” hatte damals auch Musik, Charly Heilpern und Partner unterhielten ihre Gäste gekonnt wienerisch. Es gab noch einige kleine Lokale, aber leider gelang es mir damals nicht, alle zu besuchen und so schließe ich mit diesem Spaziergang den 19. Bezirk ab und erinnere mich wehmütig an vergangene Zeiten.
Aus der Zeitschrift „Die Musikwelt“ Nr. 14 im September 1949