Einer der liebenswertesten und bescheidensten Vollblutmusiker, die Wien je hervorgebracht hatte, ist Silvester Schieder. Er wurde am 4. Mai 1884 in Wien geboren und erhielt seine Ausbildung für Horn, Klavier und Komposition an der Wiener Musikakademie. Als er 1907 sein Studium beendet hatte, wurde er wegen seiner guten
Leistungen mit der ,,Silbermedaille” ausgezeichnet. Hierauf wurde er als Solist im
Wiener Volksopern-Orchester aufgenommen und machte unter Professor Weingartner erfolgreiche Tourneen nach England und Amerika.

Ab dem Jahre 1925 war er bei der ,,Ravag” als erfolgreicher Dirigent tätig und gründete später ein eigenes Tanzorchester, das große Popularität erreichte und mit dem er sich auch bei den damals beliebten Jazzkonkurrenzen beteiligte. Einer seiner damaligen Schlagersänger war unter anderen auch Richard Czapek, der später zum Wienerlied hinüberwechselte.

Silvester Schieder begann zu komponieren und schrieb neben Tanz- und Unterhaltungsmusik auch viele Wienerlieder. Durch den Erfolg angespornt, verschrieb er sich vollends dem Wienerlied. Er hatte zeitweise Karl Jakoby und wieder Richard Czapek als Interpreten und wählte sich schließlich 1934 eine ständige Partnerin.

Else Klement war es, die als Interpretin seiner Kompositionen hervortrat und in ihr hatte er eine wunderbare Partnerin gefunden; es war eine Partnerschaft, die bis zu seinem Tode andauern sollte. Mit ihr bereiste er als ihr ständiger musikalischer Begleiter alle deutschsprachigen Länder. Silvester Schieder wurde auch in den Vorstand der Österreichischen Autorengesellschaft gewählt.

Von seinen Wienerliedern ist, neben vielen anderen, in erster Linie ein Werk zu erwähnen, das zum Standardprogramm aller Interpreten gehört und ein wahres elegisches Empfinden ausstrahlt: „Was geschieht mit dir, du alte Wienerstadt“ (\\’orte: J. Hochmuth/H. Werner), sowie sein „Neustifter Marsch“ (Worte: Josef Weidlein).

Silvester Schieder, der einst so erfolgreiche Rundfunkdirigent und Kapellmeister, geriet immer mehr und mehr in Vergessenheit, gastierte zum Schluß mit Else Klement und Rudi Palme, die im Duett sangen, nur mehr in kleinen Gasthauslokalen und starb am 4. Juli 1955 in Wien.

aus “Interpreten der Wienerliedes”
von Hans Hauenstein