geboren am 01.11.1941 in Wien
gestorben am 07.09.2012 in Wien
beerdigt auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 12C, Reihe 1, Nummer 28)
Wenn Vielseitigkeit in der Musik einen Namen hätte, so müsste er Martin WICHTL lauten. Blues, Jazz, Soul, Boogie, Rock’n’Roll – egal was er spielt, es geschieht immer aus purer Freude und mit totalem Einsatz bei gleichbleibender technischer Perfektion.
Als am 01.11.1941 der Familie Wichtl ein neues Mitglied präsentiert wurde, war von hoher Musikalität noch nicht viel zu merken. Er schrie genauso laut und undiszipliniert wie auch andere Kinder. In seiner folgenden Kindheit versuchte seine Großmutter väterlicherseits (eine Klavierlehrerin) ihn ein wenig mit den schwarz-weißen Tasten vertraut zu machen. Zwar schaffte sie es, ihm einen gewissen Grundstock zu vermitteln, musste aber letztendlich doch resignierend aufgeben, weil seine Faulheit beim Üben ganz einfach die Oberhand behielt. Diese musikalische Trägheit mündete in der zweiten Klasse Gymnasium in einer Gefährdung in Musik und einem mühsamen Abschluss der Klasse mit Genügend (4).
Als Martin 1956 jedoch erstmals ein röhrendes Rock’n’Roll-Saxophon hörte, änderte sich seine Einstellung jedoch schlagartig. Ab diesem Zeitpunkt war ihm klar: Ein Saxophon musste her. Diesmal fand er in seiner zweiten Großmutter eine Förderin, indem sie ihm das erste Saxophon finanzierte. Die diversen Schülerbands, in denen Martin vorerst mitwirkte, waren – eigentlich natürlich – vom Rock’n’Roll beherrscht. Für Martin waren aber schon bald auch Jazz und andere Musikrichtungen so interessant, dass er sich intensiv damit zu beschäftigen begann.
1959 schaffte Martin Wichtl die Matura und damit stand er vor der Entscheidung, sollte er sich der Musik oder dem Chemie-Studium widmen. Die Lösung war typisch Martin; er entschied sich nämlich für – beides. Er besuchte also gleichzeitig die Uni in Wien, um Chemie und Physik, und das Konservatorium, um Saxophon zu studieren.
Musikalisch gesehen verbrachte er die erste Hälfte der 60er-Jahre in verschiedenen Swing- und Tanzbands, bis er 1965 mit der Gruppe GUITAR MEN die ersten Erfolge (TV-Auftritt in Spotlight, etc.) feiern konnte. Diese Gruppe spielte, in der Besetzung Gitarre, Bass, Schlagzeug und Martin am Saxophon, eine Mischung aus Jazz, Beat und Rock’n’Roll und existierte bis 1972. Schon 1969 wurde jedoch die SPONTAN MUSIC GROUP gegründet, die, 1970 in SPONTAN MUSIC TRIO umbenannt, bis zum heutigen Tag besteht. Die Besetzung mit Martin am Saxophon, Helmut Kurz- Goldenstein, Schlagzeug, und Gus Seemann, Piano und Keyboard, macht dem Gruppennamen alle Ehre, denn ihre zeitlose Musik mit viel Jazzanteilen wird von ihnen immer wieder spontan und mit immens viel Freude an der Sache wiedergegeben.
1974 startete er noch dazu zwei vollkommen konträre Projekte, die seine Vielseitigkeit voll wiedergeben: Auf der einen Seite spielte er in der MICKEY BAKER BLUES BAND und andererseits lieh er sein Saxophon der letzten Band des großen österreichischen Jazz-Trompeters OTTI KITZLER.
Ziehen wir also vorerst einmal Bilanz: Mitte der 70er-Jahre spielt Martin mit dem SMT (Spontan Music Trio) Modem Jazz, mit der MICKEY BAKER BLUES BAND erdigen Blues, mit OTTI KITZLER Mainstream Jazz und zeitweise mit der STANTON BIGBAND Swing. „So ganz nebenbei“ schließt er sowohl das Konservatorium als auch sein Chemie-Studium erfolgreich ab.
Martin Wichtl beschäftigte sich seit vielen Jahren mit dem Musik-Theater und Musik-Kabarett. Er schuf die One-Man-Show „1.APRICHTL“, die stets im Wiener Jazzland am 1. April aufgeführt wurde.
1981 – Mittlerweile hat Dr. Martin Wichtl als Brotberuf die Lehrerlaufbahn am TGM eingeschlagen. Der einzige Beruf in seinem Metier, der ihm genügend Zeit für seine geliebte Musik lässt.
1981 – Das Jahr, in dem er ein von ihm entwickeltes elektrisches Musikinstrument auf Synthesizer-Basis (eine elektroakustische Trompete) vorstellt und damit prompt einen Sonderpreis der ARS-ELECTRONICA einheimst.
1981 – Martin vertont die Texte der „Kybernetischen Hochzeit“, die in der Folge mit so namhaften Schauspielern wie etwa Lotte Ingrisch im Theater in der Josefstadt aufgeführt wird.
1981 – Die MOJO BLUES BAND benötigt ein röhrendes Saxophon – ein Job für Martin „Sax Blowin‘ Boogie Man“ Wichtl. Diese Zusammenarbeit dauert 3 LP’s und unzählige Konzerte lang bis 1985.
Doch so viel Arbeit fordert irgendwann ihren Tribut. In den Jahren 1987 und 1988 tritt er nur fallweise mit dem SMT auf und begleitet Dana Gillespie – die er aus seinen Mojo-Zeiten kennt – und einige englische Bluesmusiker.
Seit 1989 ist er nunmehr reguläres Mitglied des JOACHIM PALDEN TRIOS Für Joachim Palden, mit dem er schon bei der Mojo Bluesband zusammenspielte, wirkte er auch auf dessen ersten Solo-Platten, damals noch mit der herrlichen Boogie-Stimme von Etta ScoIIo, die heute leider nur mehr Italo-Pop macht, mit. Das JOACHIM PALDEN TRIO, das sich z.Zt. aus Joachim, Piano, Martin, Saxophon, und Helmut Mejda, Schlagzeug, zusammensetzt, wird laufend durch die derzeit sicherlich beste und erdigste europäische Blues- und Boogie Stimme von Dana Gillespie verstärkt.
Das Saxophonspiel des Martin Wichtl ist von Jazzgrößen verschiedenster Richtungen wie Sydney Bechet, Charlie „Bird“ Parker oder John Coltrane gefärbt, aber auch die Soul-Sax- Giganten Earl Bostic und King Curtis haben Spuren in seinem Spiel hinterlassen. Und genau diese Vielseitigkeit ermöglicht es ihm auch sowohl im SMT, als auch bei Joachim Palden zu spielen. Dazu kommen etliche Gastauftritte bei ANDY LEE LANG und den „Rockin‘ Sessions“, sowie immer wieder Studioaufnahmen für die unterschiedlichsten Interpreten.
Dazu gibt es noch:
Martin Wichtl Quartett (Jazz)
Martin Wichtl und Charly Hloch (Boogie, Blues)
Martin Wichtl, Hannes Jaric und Rudi Staeger (Boogie, Rock’n roll)
Martin Wichtl solo (Jazz & more)
Martin Wichtls ONE MAN BAND (Tanz- und Unterhaltungsmusik)
Martin Wichtl, Martin Oswatitsch, Paul Fields (Musik mit Magie)
Abschließend ist nur zu hoffen, dass uns dieser Vollblutmusiker und Ganzkörpersaxophonist, der auf der Bühne keine Minute ruhig stehen kann, noch möglichst viele Live-Gigs und nunmehr CD-Aufnahmen beschert.
Robert Wiaderni
nach einem Gespräch mit Martin Wichtl
Ende 1993
Martin Wichtl hat am 07.09.2012 alle Bühnen für immer verlassen. Wo immer Du jetzt bist – lass alle wissen wie Dein furioses Saxophon klingt.