Al COOK

Al COOK

Gesang, Komponist, Musiker (Gitarre)

bürgerlicher Name: Alois Kurt Koch
geboren am 27.02.1945 in Bad Ischl

https://www.alcook.at/

– 2005  Kulturehrenzeichen der Stadtgemeinde Bad Ischl
– 2006  Goldenes Verdienstzeichen des Landes Wien
– 2015  Goldener Rathausmann der Stadt Wien
– 2020  Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich

Wien war zu Beginn des Jahres 1945 heftigen Bombenangriffen ausgesetzt, so daß Frau Koch nach Bad Ischl evakuiert wurde, wo sie im Kreiskrankenhaus am 27.2.1945 ihren Sohn Alois Koch zur Welt brachte. Bis Jahresende lebten die beiden weiterhin in Bad Ischl in der Brennerstr. 32. Heute gibt es dort die Pension „Heimat“.

Dann ging es zurück nach Wien. Hier wuchs er in der Nachkriegszeit im Arbeitermilieu Simmerings auf. Die Hänseleien seiner Spielkameraden drängten ihn ebenso wie die spätere Ablehnung seiner Arbeitskollegen an den Rand der Gesellschaft – und bis heute sind dem ehemaligen Außenseiter der Hang zum Individualis­mus und Mißtrauen gegenüber allen Menschen geblieben.

Die ersten 15 Jahre in Alois‘ Leben deuteten noch keineswegs auf eine musikalische Karriere hin. Seine Interessen waren vielmehr wissenschaftlicher Natur, doch die finanzielle Situation seiner Eltern ließ es nicht zu, daß er sich der Astronomie oder der Astrophysik zuwandte. Statt dessen durfte er am 25.7.1960 mit seiner Feinmechanik-Lehre beginnen – diesen Beruf übte er dann auch 13 Jahre lang aus. Am selben Tag besuchte er aber das Beatrix-Kino und sah sich „Gold aus heißer Kehle“ mit Elvis Presley an. Genaugenommen war an diesem Tag die Geburtsstunde von Al Cook.

Mit seiner sozialen Situation äußerst unzufrieden, sah er hier einen Weg seiner bereits damals sehr sensiblen Natur gerecht zu werden. So beschloß er also Rock’n’Roll-Star zu werden. Schon am nächsten Tag borgt sich Al von seinem Vater Geld und kaufte sich alle damals erhältlichen Elvis-Platten und ein Koffergrammophon. Um mit den elterlichen Musikinteressen nicht zu kollidieren, bastelte er sich selbst einen Kopfhörerausgang und benützte diesen in der Folge u.a. auch – lange bevor die Schlaflernmethode erfunden wurde – um mit seiner geliebten Musik einzuschlafen. Damit lernte er nach und nach alle Texte. Aber das war natürlich noch nicht befriedigend. Also kaufte er sich ein großes Philips-Tonbandgerät, auf dem er eine Spur mit Musik bespielte und auf der zweiten Spur dazu sang. So verbesserte er sowohl Text als auch Aussprache. Diese erste, bis 1964 andauernde, Studienzeit, wurde dann noch durch die Verbesserung der Bühnenausdrucksform vervollständigt. Al funktionierte den Teppichklopfer seiner Mutter durch Umbinden einer Schnur zur Gitarre um und versuchte sich dermaßen eine äußere Rock’n’Roll-Form anzueignen. Dem folgte aber schon bald eine erste eigene Wandergitarre, mit der er sich das Gitarre-Spiel selbst erlernte.

Als er sich dann so halbwegs perfekt fühlte, wurde am 17.10.1964 in Wien, Landstraße Hauptstraße 96, zufällig eine Sektion einer politischen Partei eröffnet. Aus diesem Anlaß fand dort ein Jungmusikerwettbewerb statt, an dem Al natürlich teilnehmen musste. Gewonnen hatte eine Jazzband und Al Cook wurde mit seinem Elvis-Titel „All Shook Up“ trauriger Letzter. (Ein Foto dieses Auftrittes ist übrigens auf der zweiten Seite des Booklets von Al Cook’s CD „Twenty Five Blues Years“ zu sehen). Auslösendes Moment für diesen Misserfolg war wahrscheinlich die Tatsache, dass er in erster Linie einmal vor fast lauter Pensionisten spielen musste und zum Zweiten saßen in der ersten Reihe diverse Stadträte, die auf Grund der „obszönen“ Bewegungen Al’s aufstanden und geschlossen den Saal verließen. Als Trostpreis bekam der Antialkoholiker Al Cook einen Karton Wein, den er halt am nächsten Tag an seine Arbeitskollegen weitergab. Für viele andere wäre damit die Musikerkarriere gelaufen gewesen – nicht so für Al. Er war einfach der Meinung noch nicht gut genug zu sein und übte verbissen weiter. Es dauerte noch gute 5 Jahre, bis er aus seinem Englisch diesen Wiener Akzent herausbrachte. Dazu kaufte er sich eine Schallplatte, auf der nur Interviews von Elvis Presley zu hören waren. Der ungemein starke Memphis-Akzent des jungen Elvis war für ihn anfangs, trotz vorzüglicher schulischer Leistungen in Englisch, total unverständlich. Erst nachdem sich Al diese Platte im wahrsten Sinne des Wortes Tag und Nacht angehört hatte, entwickelte er langsam ein Gefühl für diese Sprache und speziell auch für das „schwarz-amerikanische“ Englisch.

Während Al noch immer Rock’n’Roll-Star werden wollte, erhielt er durch Zufall von einem Nachbarn ein importiertes Tonband mit authentischen Blues- und Boogie-Aufnahmen. Durch unzähliges Anhören dieses Bandes, fand er zunehmend Gefallen an dieser Art von Musik. Vor allem in der Art und Weise, als dass er feststellte, das ist genau die Musik, in der ich meine Gefühle ausdrücken und in Kunst umsetzen kann. Nun begann ein schwieriger Umdenkprozess, denn die Blues-Gitarre war und ist eine ganz andere. Wer kannte damals in Österreich schon eine Slide-Gitarre? Und wieder wusste sich der gewissenhafte Autodidakt zu helfen. Er entdeckte auf dem Tonband eine Nummer, die mit einem Akkord abschloss. Also reduzierte er die Geschwindigkeit seines Gerätes und hörte sich diesen Akkord genauestens Ton um Ton an. So kam er dazu auch seine Gitarre so zu stimmen, dass sie der dazu notwendigen „Offenen Akkord-Stimmung“ entsprach. So lebte und lernte er sich in den Blues. Seit seinen Anfängen „trainierte“ Al täglich 5-8 Stunden. Und so handhabt er es auch heute noch. Dabei stand und steht bei ihm aber nicht akademisches Üben, sondern die Freude am Spielen im Vordergrund.

Nebenbei begann Al auch seinen Wunsch Bluespianist zu werden, in die Tat umzusetzen. Zwar hatte er nie ein Klavier besessen, aber so zog er halt nach der Sperrstunde durch die Kneipen und überall dort, wo man ihn ließ, klimperte er solange auf den schwarzweißen Tasten herum, bis er sich auch auf diesem Instrument orientiert hatte. Seine bisher, wie alles, selbst erworbene Fertigkeit ist auf seiner neuesten CD „Victrola Blues“ bei Cut 1 („St. Louis Woman Blues“), Cut 15 („Beale Street Breakdown“) und Cut 20 („At The Barrelhouse“) zu bewundern.

Und jetzt begann natürlich das Problem der Auftritte. So trat er einer Tanzband, die sich „Spacemen“ nannten, bei und wurde bei deren Engagements jeweils für eine Viertelstunde Elvis Presley. Nur war natürlich während der Dauer seines Studiums der Geschmack des Publikums ein anderer geworden. Jetzt – Mitte der 60er-Jahre – wollten die Leute Beatles- und Rolling-Stones-Nummern hören und waren am Rock’n Roll nicht interessiert. Und so war Al Cook bereits während seiner ersten Schritte im Showbusiness ein Anachronismus und irgendwie in die Isolation gedrängt. Damit war das Ende Al’s bei den Spacemen eigentlich auch schon abzusehen. Passiert ist es dann 1966 bei einem Bandwettbewerb in der Tenne Bei einer Jury, die aus Models und Hausfrauen zusammengesetzt war, durfte man zu dieser Zeit ganz einfach nicht „Love Me Tender“, „Massachusetts“ in einer instrumentalen Slide-Guitar-Fassung und einen originalen Chicago-Blues vortragen. Die Band fiel mit Pauken und Trompeten durch und die Bandmitglieder bedachten Al nicht gerade mit den feinsten Namen. Die Trennung war durchaus logisch. Danach war sich Al Cook nunmehr absolut klar darüber, dass seine Zukunft nur der Blues sein konnte. Auch das Spielen mit Bands erweckte fortan seine Skepsis. Er begab sich wieder für ca. ein Jahr in die selbstgewählte Klausur und perfektionierte sein Können. In einer Buchhandlung in Wien in der Wollzeile, der eine Spezialschallplatten-Abteilung angeschlossen war, fand eine Verkäuferin seinen Enthusiasmus einfach rührend und ließ ihn sich viele Tage und Abende lang durch die lagernden schwarzen Scheiben durchhören. Und damit begann er auch sich seine ersten Bluesplatten zu kaufen. Die Verkäuferin gab ihm in der Folge auch die Adresse von Johnny Parth, wodurch Al Cook erst in die verschworene Gemeinde der echten Bluesfanatiker eindringen konnte. Er und Johnny freundeten sich rasch an und Al bezieht bis heute alle seine „Lehrmittel“ von Document-Records. 1967 gründete er die „Al Cook’s Blues Classic“ mit Bass und Schlagzeug. Doch diese Verbindung hielt nur ein paar Monate, weil die beiden Bandmitglieder eher zur neuen Pseudo-Blueswelle der englischen Musiker á la John Mayall, Eric Clapton oder Canned Heat tendierten. Für Al waren dies aber Popmusiker, die sich gewisser Blues-Elemente bedienten. Er selbst war ja dem bodenständigen und erdigen Original-Blues der 20er- und 30er-Jahre verfallen. So brach diese Verbindung schon 1968 wieder auseinander.

Von nun an wollte er nur mehr solo agieren. Er zog sich wieder einmal für ein Jahr zurück und vervollkommnete sich weiter in der Technik des klassischen Blues. Vor allem modifizierte er seinen Gesang dahingehend, dass er sich die negroiden Techniken aneignete. Dies natürlich wieder durch langes und intensives Abhören der Originale. Aber dazu kam auch ein ganz wesentlicher Punkt, nämlich das eingehende Interesse an dem Umfeld, in dem diese Musik entstanden ist. Die Frage von Auftrittsmöglichkeiten löste sich insofern recht gut, als ihn ein Anruf der „Worried Men Skiffle Group“ erreichte und sie ihm anboten im „Golden Gate Club“ in der Akademiestraße zu spielen. Dieser Club war die Wiege der gesamten Szene und Al spielte Sessions mit den Milestones oder mit Willie Resetarits, dem heutigen Ostbahn-Kurti. Noch heute besitzt er Aufnahmen, bei denen Christian Kolonovits im Hintergrund Klavier spielt und 1971 war Wolfgang Ambros im Vorprogramm von Al Cook zu finden. 1970 wurde der Club geschlossen und die Szene übersiedelte in die „Jazz Förderation“ in der Währinger Straße. In beiden Lokalen feierte Al seine ersten Triumphe und es sollte dies der eigentliche Anfang seiner Karriere werden. Bei Folk-Konzerten auf der Universität war Al Cook der Star und bei der Arena-Besetzung trat er nicht als Besetzer, sondern als Star des Abends auf. Dies alles aber vor Anbruch der Dialekt- und Disco-Welle, denn diese neuen Trends schwemmten viele gute Musiker ehrlichen Blues an die Gestade des schnöden Mammons in die Arme der Pop-Musik. Wobei dies keinerlei Bewertung darstellt, denn ein guter Musiker ist überall ein guter Musiker, nur war es schade, dass diese Talente dem Blues verloren gegangen sind.

Mittlerweile war der Bekanntheitsgrad von Al Cook dermaßen gestiegen, dass ihn Amadeo zu Plattenaufnahmen ins Austrophon-Studio lud. Nach Überwindung seiner anfänglichen Scheu vor Aufnahmestudios entstand seine erste LP „Working Man Blues“. Am 11.11.1970 wurde diese Platte im Musikhaus „Dreiviertel“ eher lieblos präsentiert. Ohne anwesender Presse war sie eigentlich eher eine Präsentation des Brötchenverzehrs. Da auch in der Folge keine Werbung vorhanden war, hielt sich der Verkauf sehr in Grenzen und die Plattenfirma war eigentlich nicht sehr zufrieden.

Al selbst, der ja den Klang der Schellacks in den Ohren hatte, war auch mit dem cleanen Sound der Produktion unglücklich. Also versuchte er zu Hause die Aufnahmesituation der 30er-Jahre wiederherzustellen. Anstelle eines hochwertigen Mikrophons verwendete er die Ohrmuschel eines alten Kopfhörers. Da er ja auch so spielen kann wie die klassischen Bluesmusiker, entstanden tatsächlich Aufnahmen, die den Originalen zum Verwechseln ähnlich waren. Später versuchte er mit Erfolg auch noch ältere Mikrophone. So entstand ein privates Band im Schellack-Sound. Eines Tages sprach ein privater Produzent Al darauf an, dieses Band ohne weitere Studiokosten einfach auf Platte zu pressen. So entstand die LP „Slide Guitar Foolin’“. Das Besondere daran: das Cover besteht aus Wellpappe und darüber wurde bedrucktes Packpapier geklebt. So wurde die Platte an die Journalisten versandt und brachte ihm das Prädikat „The White King Of Black Blues“ ein.

Dadurch wurden auch wieder Plattenfirmen auf Al aufmerksam und Bellaphon produzierte mit ihm 1975 die LP „Hard Rock Blues“. Nur sparte man am falschen Platz. Statt in die Studios zu gehen, wurde dieses Album einfach in den Büroräumen der Bellaphon lieblos produziert und so ergaben sich natürlich auch keine berauschenden Verkaufserfolge.

Es folgte wieder eine längere Pause, während der er sich von seinem bisherigen Manager trennte und seine Geschicke selbst in die Hand nahm. Nach dem Tod von Elvis entwickelte sich langsam ein neuerlicher Rock’n’Roll-Boom. Hierzu wollte Al Cook seinen Beitrag leisten und eine Single produzieren. Aber als Perfektionist wollte er im Original-Sound erscheinen und klapperte in diesem Sinne alle Plattenfirmen ab, doch die Titel „Rock Me Baby“ und „Hound Dog“ waren allen nicht modern genug.

In der Folge suchte sich Al zwei junge, talentierte Musiker und bildete sie nach seinen Vorstellungen aus. Mit ihnen trat er monatelang im „Jonathan Seagull“ in Wien 8., mit erdigem Rockabilly auf. Doch die Sehnsucht nach dem Blues und das zunehmend rechtslastige und rassistische Publikum (als er nur ein einziges Mal eine Bluesnummer einschob, trat man schon an ihn heran, diesen „Negerscheiß“ zu unterlassen; man wolle nur „weiße“ Musik hören) ließen ihn de facto über Nacht sein Engagement beenden und ihn wieder seiner großen Liebe zuwenden. An diese Zeit erinnert nur mehr die EP „Memphis 1954“. Auf seinen nächsten beiden LP’s demonstrierte Al dann seine Vielseitigkeit. Auf „A Legendary White Face Of Blues“ und „On The Road To Rock & Roll“ spannt er einen harmonischen Bogen vom Blues über Swing und Rhythm & Blues bis hin zum Rock’n’Roll. Nach leidlichem Verkauf dieser beiden Einzelplatten, näherte sich nunmehr sein 25-jähriges Bühnenjubiläum, das mit einer Doppel-LP, bzw. einer CD gewürdigt wurde. Die eine Hälfte war seinen historischen Aufnahmen gewidmet, während die zweite Hälfte aus dem Zusammenspiel Al Cooks mit der europäischen Bluesprominenz bestand. Dieses Jubiläum wurde zu einem richtigen Erfolg. Jetzt aber wollte Al endlich einmal wirklich nach seinen eigenen Vorstellungen arbeiten. Dazu schenkte ihm seine Frau zu seinem 48. Geburtstag ein Aufnahme-Mischgerät, u.zw. einen Fostex 280 4-Spur-Recorder. Als Werbeträger einer Saitenfirma wurde ihm vom Inhaber, Herrn Peter Infeld, freundlicherweise ein Aufnahmeraum zur Verfügung gestellt. Und so arbeitete Al Cook mehr als ein Monat an seiner neuen CD „Victrola Blues“, die nicht nur bei seinen Fans sensationell ankam.

Allen Fans sei aber heute schon das Jahr 1995 ins Stammbuch geschrieben. Denn zu seinem 50. Geburtstag und dem 25-jährigen Jubiläum seiner ersten Plattenproduktion plant der weiße Musiker, der wie kaum ein anderer in die Seele der Schwarzamerikaner blickt, heute schon wahrhaft Großes. Vielleicht wird ihm dann endlich die breite Anerkennung zuteil, die sich dieses Genie wohl schon längstens verdient hat. Wir wünschen jedenfalls diesem bescheidenen und doch so grandiosen Musiker, dass er seinen Weg unbeirrt weitergeht und uns mit seiner „Musik der Gefühle“ noch viele Jahre erfreut.

erstellt von Robert Wiaderni
nach einem Gespräch mit Al Cook
Anfang 1994

Teilen via: